64 II. Verfassung des Deutschen Reiches.
erheblich herabgesetzt und teilweise ganz beseitigt hatte (so
namentlich für Eisen), war es 1879 bei Abänderung des
Zolltarifs wesentlich zum Schutzzoll übergegangen; die Ein-
gangszölle wurden zum Teil nicht unerheblich erhöht und
mehrfach auf Waren ausgedehnt, welche vorher zollfrei ge-
wesen waren, insbesondere auf Holz und Getreide. In den
Jahren 1892 bis 1894 wurden sodann mit einer größeren
Anzahl europäischer Staaten neue Handelsverträge (s. S. 62)
abgeschlossen, welche zwar auf schutzzöllnerischer Grundlage be-
ruhten, aber durch ihre längere Geltungsdauer (10 bis 12 Jahre)
den Handelsbeziehungen zwischen den vertragschließenden Staaten
Europas eine gewisse Stetigkeit sicherten. Diese Verträge sind
sodann 1904 auf der Grundlage des neuen Zolltarifgesetzes
vom 25. Dezember 1902 (s. S. 65) durch Zusatzverträge neu-
geregelt worden und zugleich mit dem neuen Zolltarife am
1. März 1906 erneut in Kraft getreten. Die Geltungsdauer
ist auf den 31. Dezember 1917 erstreckt worden; von da ab auf
ein Jahr nach Kündigung.
Da der Krieg Verträge zwischen den Kriegführenden auf-
löst, so ist auch die Mehrzahl der Handelsabkommen hinfällig
geworden; von Bedeutung bleiben besonders die mit Osterreich-
Ungarn, Bulgarien und einzelnen neutralen europäischen Staaten
geschlossenen. Die durch den Weltkrieg wachgerufene Schaffung
eines engeren „mitteleuropäischen“ Zollbundes mit Osterreich-
Ungarn hat eine greifbare Form noch nicht gefunden. Im
übrigen wurde seit Kriegsbeginn die zollfreie Einfuhr der
wichtigsten Nahrungs= und Genußmittel gestattet, auch die
Einfuhr von Vieh und Fleisch ist erleichtert worden.
Die in Handelsverträgen meist enthaltene „Klausel des
Rechtes der meistbegünstigten Nation“" hat zur Folge,
daß die Zollherabsetzungen, welche auch nur einem fremden
Staate gewährt werden, unmittelbar allen Ländern zugewendet
werden müssen, mit welchen Zollverträge unter dieser Meist-