Deutschland. 109
23. Nov. (Lippe-Detmold). Eine Versammlung von National-
vereinsmitgliedern in Lemgo beschließt einstimmig:
„Anknüpfend an den Beschluß des Abgeordnetentages zu Weimar, wonach
die Wiederaufrichtung des Rechtszustandes in jenen Ländern, in welchen die
auf gesetzmäßigem Wege vereinbarten, in Wirksamkeit getretenen Verfassun-
gen von den Regierungen einseitig theils aufgehoben, theils abgeändert
worden, ein allgemein deutsches Interesse ist, und in Anbetracht, daß, sowie
in verschiedenen andern deutschen Ländern, namentlich auch im Fürstenthume
Lippe-Detmold seit zehn Jahren mannigfache, das Rechtsgefühl auf's tiefste
verletzende Mißstände sowohl auf politischem als kirchlichem Gebiete zu Tage
getreten sind, indem namentlich die rechtmäßig vereinbarte Verordnung
über die Zusammensetzung des Landtages und Ausübung der ständischen
Rechte vom 16. Jannar 1849, nachdem solche in mehrjähriger anerkannter
Wirksamkeit gestanden, durch die desfallsigen Erlasse im Jahre 1853 nebst
einer erheblichen Zahl verschiedener anderer giltig zu Stande gekommener
und in's Leben getretener Gesetze (darunter auch die Ausübung des Jagd-
rechts auf fremdem Grund und Boden) gegen den Willen der Bevölkerung
einseitig von der Regierung aufgehoben und willkürlich mit vetalteten
unzeitgemäßen Vorschriften vertauscht worden, erklärt es die Versammlung
für eine Aufgabe ihrer Mitglieder, ingleichen auch der Gesetzgebungen und
Regierungen anderer deutscher Staaten, mit allen zulässigen gesetzlichen Mit-
teln ernstlich dahin zu wirken, daß ähnlich wie in Kurhessen auch
in Lippe-Detmolld die verfassungsmäßigen, den Anforderungen des Rechts
sowie der Zeit entprechenden Zustände baldigst wieder hergestellt werden."
24. Nov. (Preußen). In Folge der Entlassung des kurhess. Mini-
steriums und der Vertagung der Stände durch den Kurfürsten
schickt Preußen eine drohende Note nach Kassel:
„ .. In dem Ew. H. bekannten Erlasse an den k. Bundestagsgesand-
ten vom 15. v. M. sprach die kgl. Preuß. Regierung Wunsch und Hoffnung
aus, daß der Zusammentritt der damals einberufenen kurhessischen Stände-
versammlung bei Erfüllung aller in der kurfürstlichen Verordnung v. 21.
Juni d. Js. gemachten Zusagen und gemäßigter Haltung des Landtags selbst
zu einer Erledigung des Verfassungsstreites führen werde. Die kgl. Re-
gierung gab hiervon ihren deutschen Bundesgenossen Kenntniß, und es wurde
unmittelbar darauf von dem kais. österr. Cabinet eine der diesseitigen ganz
entsprechende Aeußerung nach Kassel gerichtet, von den übrigen deutschen
Regierungen uns aber das vollste Einverständniß zu erkennen gegeben. Daß
unser wohlmeinender Rath eine gleiche Aufnahme an der entscheidenden
Stelle in Kurhessen nicht gefunden hat, ergeben leider die Thatsachen.
Von der jetzt vertagten Ständeversammlung ist sichtlich ein großes
Maß von Bereitwilligkeit zur Beendigung des vieljährigen Haders und zur
Herstellung eines dauernden Friedens an den Tag gelegt, aber nicht durch
Entgegenkommen der kurfürstlichen Regierung erwiedert worden.
Die vorhandenen Schwierigkeiten sind durch Zögern und Hinhalten gestei-
gert, und es besteht die Gefahr unabsehbarer Verlängerung des Streits,
dessen Beilegung das in der kurfürstlichen Verordnung v. 21. Juni d. J. gege-
bene Wort bestimmt erwarten ließ. Die kgl. Regierung kann jedoch zwischen
ihren Provinzen inmitten von Deutschland einen Heerd von sich stets er-
neuernder Aufregung und Unruhe schon in ihrem eigenen Interesse nicht
fortbestehen lassen. Deshalb wiederhole ich ergebenst durch das gegenwärtige
Schreiben die dringende Aufforderung: daß endlich für die Herstellung eines
gesicherten und allseitig anerkannten Rechtszustandes in Kurhessen, wie der
Bundesbeschluß vom 29. Mai d. Js. denselben verlangt, das Geeignete ge-
schehen und in diesem Sinne mit dem Landtag im Geist wirklicher Ver-