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Preußen.
Rechnungswesens ausführbar erscheinen würde. Die sofortige Ausführbar-
keit dieses Beschlusses hat sich auch bereits durch die Umarbeitung mehrerer
Etats nach Maßgabe desselben in der Budgetcommission bewährt. Daß eine
solche detaillirte Aufstellung des Hauptetats künftig unerläßlich sei, ward von
allen Seiten anerkannt, und die kgl. Staatsregierung selbst stellte eine der-
artige Abänderung für die Zukunft in Aussicht. Dagegen widersprach sie
derselben für dieses Jahr. Wir aber, die wir nicht über die Formen künf-
tiger Budgets zu verfügen, sondern über den Inhalt des gegenwärtigen nach
Pflicht und Gewissen zu beschließen hatten, wir durften uns nicht auf
Wünsche beschränken, denen auch später schwerlich ohne die eigene Thätigkeit
der Volksvertretung in genügendem Maße entsprochen werden wird; wir
waren verpflichtet, die Mittel des Staates nur in einer Form zu bewilligen,
welche die uns obliegende wirkliche Controle nöthig machte. Wir durften,
soweit es an uns lag, das verfassungsmäßige Recht des Volkes nicht zu ei-
nem wesenlosen Scheine werden lassen. Wir mußten in Erfüllung unserer
verfassungsmäßigen Pflicht das uns gebotene Mittel anwenden, um uns eine
vollständige Darlegung und eine wirkliche Innehaltung des festzusetzenden
Staatshaushaltes in seinen einzelnen Positionen zu sichern. Es leuchtet
außerdem ein, wie wesentlich gerade jetzt eine sehr specielle Festsetzung des
Militäretats war. Die kgl. Regierung hat die Fassung dieses Beschlusses,
ohne seine praktische Durchführung in der Bearbeitung der einzelnen Etats
abzuwarten, mit einer Auflösung des Hauses beantwortet. Wir haben unser
klares, unzweifelhaftes Recht einer Budgetbewilligung in bindender
Form ausgeübt und keineswegs in die Rechte der Executive ein-
gegriffen. Wir haben keine unfruchtbare Opposition erhoben, keinen
kleinlichen Streit gesucht. Wir haben in einer großen und wichtigen Ange-
legenheit das verfassungsmäßige Recht der Volksvertretung zu einer Wahr-
heit machen wollen. Wir erwarten mit gutem Gewissen das Urtheil des
Landes.“ «
13. März. Die sog. constitutionelle (bisher ministerielle) Partei veröffentlicht
ein Wahlprogramm, durch das auch sie sich nur unter stricten Be—
dingungen für, eventuell gleichfalls gegen das Ministerium aus-
spricht: —
„ 1) Die constitutionelle Partei hält fest an ihrem obersten Grundsatz:
Treue dem König und der Verfassung. Sie will ein starkes Königthum der
Hohenzollern und die volle Geltung der dem Volke verbürgten Rechte.
2) Sie will, daß Preußen nach außen eine feste nationale Politik einhalte
und in der deutschen Frage die Herstellung des Bundesstaats im weiteren
Bunde mit parlamentartscher Vertretung sich zur Aufgabe setze — unter
Wahrung der inneren Selbstständigkeit der Einzelstaaten, mit preußischer
Führung in den militärischen, diplomatischen und handelspolitischen Ange-
legenheiten. 3) Im Innern fordert sie eine verfassungsmäßige, gerechte und
freisinnige Regierung und den Ausbau der Verfassung in deren Geist durch
organische Gesetze. 4) Die Einheit in der Leitung und Führung der Staats-
geschäfte ist die Bedingung eines starken und segensreichen Regiments. Diese
Einheit ist als dringendes Bedürfniß anzuerkennen, nicht blos in der Wahl
der höheren Verwaltungsbeamten. 5) Das Herrenhaus in seiner gegen-
wärtigen Zusammensetzung ist das Haupthinderniß einer freisinnigen und
nationalen Politik und einer gedeihlichen Entwickelung der Gesetzgebung,
insbesondere für die Ordnung der Kreis= und Gemeindeverfassung und der
volkswirthschaftlichen Verhältnisse. Es ist nothwendig, daß eine Reform des
Herrenhauses durch Anwendung der verfassungsmäßigen Mittel herbeigeführt
werde. 6) Aufrechthaltung der Reorganisation des Heeres, aber Ersparungen
im Militäretat durch Beurlaubungen, Revision der Grundsätze über die