Preußen. 133
gilt diesmal nicht, Wünsche oder Hoffnungen zu verwirklichen, sei es schnel-
ler oder langsamer, sei es mehr oder minder. Es handelt sich nur um das
Eine, nicht zu weichen von dem verfassungsmäßigen Recht, ohne
welches die Abgeordneten die Pflichten ihres Mandats nicht erfüllen können.
Wir sind überzeugt, daß die Regierung sich weder auf einem gedelhlichen
Wege, noch im Einklang mit der Einsicht und dem Willen des Volkes be-
findet, wenn sie durch die neuen Militäreinrichtungen die wirthschaftlichen
Kräfte des Landes übermäßig anspannt, wenn sie daneben den geistigen und
materiellen Interessen die freie Entwickelung versagt, welche die Spannkraft
des Volkes erhöhen würden, und wenn sie für die übergroßen Lasten nicht
einmal durch die Erfolge einer volksthümlichen und nationalen Politik ent-
schädigt. Wir hoffen, das preußische Volk wird in einem Conflicte, welcher
nicht blos die Hoffnungen eines raschen und sichern Fortschritts verdüstert,
sondern sogar die schon errungenen Güter des verfassungsmäßigen Rechts
in Frage stellt, die Besonnenheit und die Ausdauer bewähren, welche die
ersten der politischen Tugenden und die Bürgen des Sieges sind.“
18. März. Der König entläßt den liberalen Theil des Mini-
steriums (v. Auerswald, v. Patow, Graf Schwerin, v. Bernuth,
Graf Pückler). Der bisherige Handelsminister v. d. Heydt wird
zum Finanzminister, Graf Itzenplitz zum Minister der landwirth-
schaftlichen Angelegenheiten, Oberconsistorialrath Mühler zum Cul-
tusminister, Oberstaatsanwalt Graf Lippe zum Justizminister, v.
Jagow zum Minister des Innern ernannt.
20. „ Kgl. Erlaß an das Staatsministerium:
„Ich beauftrage das Staatsministerium wegen Ausführung der Wahlen
der Abgeordneten unverzüglich die erforderlichen Anordnungen zu treffen.
Hiebei ist es Aufgabe meiner Behörden, ebenso die gesetzlichen Vorschriften
gewissenhaft in Anwendung zu bringen, als auch den Wählern über die
Grundsätze Meiner Regierung unzweideutigen Ausschluß zu geben und den
Einflüssen von Verdächtigungen entgegenzutreten, welche die Unbefan-
genheit des öffentlichen Urtheils zu verwirren bezwecken, wie dies bei den
letzten Wahlen sich gezeigt. Ich halte unabänderlich fest an den Grund-
sätzen, welche ich im November 1858 den Staatsministern eröffnet und seit-
dem wiederholt dem Lande kundgegeben. Sie werden, richtig aufgefaßt, auch
ferner die Richtschnur Meiner Regierung bleiben. Aber daran geknüpfte
irrthümliche Auslegungen erzeugten Verwicklungen, deren glückliche Lösung.,
die nächste Aufgabe der gegenwärtigen Regierung ist. Bei weiterer Ausfüh-
rung der bestehenden Verfassung soll die Gesetzgebung und Verwaltung von
freisinnigen Grundsätzen ausgehen. Es kann aber ein heilbringender Fort-
schritt nur gedacht werden, wenn man nach besonnener, ruhiger Prüfung
der Zeitlage, wirkliche Bedürfnisse zu befriedigen, lebensfähige Elemente be-
stehender Einrichtungen zu benutzen weiß. Dann werden die Gesetzgebungs-
reformen einen wahrhaft conservativen Character tragen, während die Ueber-
eilung und Ueberstürzung nur zerstörend wirken. Es ist meine Pflicht und
ernster Wille, der von mir beschworenen Verfassung und den Rechten der
Landesvertretung volle Geltung zu sichern, in gleichem Maße aber auch die
Rechte der Krone zu wahren und sie in ungeschmälerter Kraft zu erhalten,
welche für Preußen zur Erfüllung seines Berufes nothwendig, deren Schwäch-
ung dem Vaterlande zum Verderben gereichen würde. Diese Ueberzeugung
ist auch in den Herzen meiner Unterthanen lebendig, es kommt nur darauf
an, denselben Meine wahre Gesinnung für deren Wohl klar und offen dar-
zulegen. Bezüglich meiner auswärtigen, insbesondere deutschen Politik halte
ich die bisherigen Standpunkte unverändert fest. Das Staatsministerium