Preußen. 1465
Grundlagen, auf welchen jene Gesetzentwürfe beruhen und wird dieselben in
diesem Sinme durchzuführen bestrebt sein. Die Gesetzentwürfe, betreffend die
Ministerverantwortlichkeit und die Kreisordnung werden der bereits begonne-
nen Berathung nicht entzogen. Die Regierung wird, unbeirrt durch den
Drang wechselnder Parteiungen, mit Ernst und Eifer bemüht sein, die all-
gemein bekannten Grundsätze, welche der König bei Uebernahme der Regent-
schaft und seitdem wiederholentlich den Räthen der Krone als Richtschnur
für die Verwaltung des Landes bezeichnet, auf dem bisher betretenen Wege
durchzuführen. Sie wird diesen Grundsätzen gemäß, wie die Rechte der
Krone, so auch die verfassungsmäßigen Rechte der Landesvertre-
tung gewissenhaft wahren; sie gibt sich aber auch der Hoffnung hin, daß
Sie, meine Herren, ihr bei den zur Aufrechthaltung der Ehre und Würde
Preußens, so wie zur Förderung aller Zweige friedlicher Thätigkeit nöthigen
Maßregeln patriotische Unterstützung nicht versagen“.
22. Mai. Auflösung der Fraction Grabow, der früher ministeriellen
Partei unter dem Ministerium Auerswald.
Den nächsten Anlaß gibt die Frage, ob ein Einvernehmen auch mit den
beiden andern liberalen Fractionen zu erstreben sei oder ob sich dasselbe nur
auf die Fraction Bockum-Dolffs beziehen solle. Die letztere Ansicht verficht
der Abg. Vincke mit einigen nähern Parteigenossen, die erstere Grabow selbst.
Die Versammlung entscheidet sich mit Mehrheit für den Antrag Grabows,
worauf Vincke die Versammlung verläßt. Der Versuch, die Fractcion nun-
mehr zu reconstituiren, scheitert indeß an der Erklärung vieler bisheriger
Mitglieder, sich die Entscheidung über ihren Beitritt vorerst noch vorbehalten zu
wollen, worauf Grabow erklärt, unter diesen Umständen die Führung der
Fraction nicht übernehmen zu können.
23. „ Das Abg.-Haus wählt mit 276 von 288 Stimmen den Abg.
Grabow neuerdings zu seinem Präsidenten. Rede Grabows bei
Uebernahme des Präsidiums:
.. Beim Beginne meiner polltischen Laufbahn im Jahre 1840 vernahm
ich im Vereine mit tausend hochbegeisterten preußischen Männern aus kö-
niglichem Munde die Worte: „Die Wege der Könige sind thränenreich und
thränenschwer, wenn Herz und Geist ihrer Völker ihnen nicht hülfreich zur
Hand gehen"“. In diesen erhabenen Worten ist das edle, große Prinzip der
Einheit von Fürst und Volk an Haupt und Gliedern ausgesprochen. Aus
ihr entspringt die Macht der Freiheit, die Wohlfahrt des Staates. Sie ist
von jeher das schönste Erbtheil des hohen Regentenhauses der Hohenzollern,
das herrlichste Kleinod des durch seine Wahrhaftigkeit groß in der Geschichte
dastehenden preußischen Volkes gewesen. Und diese Einheit wollen wir, des
Volkes Vertreter, uns nie verkümmern lassen. Sie wollen wir festhalten in
der Treue gegen den erhabenen Träger unseres Königthums im innigsten
Verbande mit der Treue gegen das Volk; sie soll uns heilig und unantast-
bar halten helfen die verfassungsmäßigen Rechte der Krone und treu be-
wahren helfen die beschworenen Rechte des Volkes; sie vernichtet den in den
letzten Monaten in das verfassungstreue preußische Volk hineingeschleuderten
Wahlruf: „ob Königthum, ob Parlament"“. (Lebhafter Beifall.) Sie ver-
einigt uns Alle beim Antritt meines Amtes zu der Erwiderung: nur das
verfassungsmäßige Königthum mit seinem verfassungstreuen Abgeordneten-
„Hoch lebe Se. Majestät der
König Wilhelm I. und das ganze erhabene Haus der Hohenzollern, hoch und *7
immer hoch!“ Die Versammlung stimmt dreimal enthusiastisch in das
Hoch ein.
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