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Preußen.
Es folgt eine Auseinandersetzung der günstigen Finanzlage. Das Ganze
schließt mit nachstehenden Sätzen:
„Die Staatsregierung ist, sich bewußt, daß sie zur Verausgabung der
Kosten der Armee-Reorganisation der nachträglichen Zustimmung des Land-
tags eben so bedarf, wie zu allen übrigen Ausgaben, welche vor gesetzlicher
Feststellung des Etats geleistet sind, und sie glaubt auf diese Zustimmung
um so mehr mit Sicherheit rechnen zu dürfen, als nachgewiesen ist, daß
die fraglichen Ausgaben nicht zu vermeiden waren und in gutem Glauben
geleistet sind, daß eine weitere Ermäßigung derselben nicht thunlich ist, und
daß zu ihrer Deckung hinlängliche Mittel in den gesetzlich bewilligten Ein-
nahmen vorhanden sind. Der Umstand, daß das Gesetz, durch welches die
Wehrpflicht allgemein geregelt werden soll, nicht in der gegenwärtigen
Session, sondern erst in der folgenden, also wenige Monate später vor-
gelegt werden soll, kann es nicht rechtfertigen, durch Versagung der nöthigen
Mittel eine Situation zu erzeugen, welche geeignet ist, die Ordnung im
Staatshaushalte in der bedenklichsten Weise zu stören, die innere Ver-
waltung des Landes zum größten Nachtheil der wichtigsten öffentlichen In-
teressen zu lähmen, und die Regierung dem Auslande gegenüber in eine
Lage zu bringen, welche ihr auch die Lösung der nach dieser Richtung ihr
obliegenden Aufgaben erschwert. Die Staatsregierung erkennt mit der Com-
mission an, daß die Verfassung das Zustandekommen eines Etatsgesetzes
unbedingt voraussetzt. Wenn aber die Commission gleichwohl die Ab-
lehnung der Ausgaben für die Reorganisation der Armee empfiehlt, und
schon bis an die äußerste Grenze zu gehen glaubt, indem sie sämmtliche
zur Existenz des Staates nothwendige Ausgaben bewillige und für das
Heer nur die Summe, welche bis zum Jahre 1860 ausgereicht habe, zu-
gestehe, so kann sie sich darüber nicht täuschen, daß sie durch diese Vor-
schläge das Zustandekommen eines Etatsgesetzes unmöglich
macht, weil sie die Thatsache gänzlich unberücksichtigt läßt, daß die Aus-
gaben für 1862 großentheils bereits geleistet sind und in den letzten Monaten
Ersparnisse nicht mehr gemacht werden können.
„Indem die Staatsregierung die ernste Erwägung dieser Erklärung dem
hohen Hause empfiehlt und hierdurch wiederholt, daß es ihr fern liegt, die
verfassungsmäßigen Rechte des Abgeordnetenhauses zu beeinträchtigen, indem
sie vielmehr ausdrücklich anerkennt, daß alle Ausgaben der Zu-
stimmung des Landtags bedürfen, und die Zusicherung erneuert, daß
sie in der nächsten Session das gewünschte Gesetz über die Leistung der
Wehrpflicht vorlegen wird, kann sie, in dem Bewußtsein, daß sie nach Lage
der Verhältnisse im allgemeinen Staatsinteresse nicht anders, als geschehen,
verfahren konnte, der Beschlußnahme mit der Beruhigung entgegensehen,
welche die Ueberzeugung gewissenhafter Pflichterfüllung gewährt. Die Staats-
regierung ist sich bewußt, durch thatsächliches Entgegenkommen ihr auf-
richtiges Bestreben an den Tag gelegt zu haben, eine Lösung der ob-
schwebenden Frage zu erleichtern; sie beharrt auch ferner in dieser Gesin-
nung; aber sie darf auch nicht unterlassen, der Landesvertretung die ganze
Schwere der Verantwortung vor Augen zu stellen, welche auf einer Ver-
sagung der nach Lage der Sache durchaus unentbehrlichen und nachweislich
vorhandenen Mittel ruhen würde."
Reden der Abg. v. Sybel, v. Carlowitz, v. Vincke-Olbendord,
Waldeck und des Kriegsministers v. Roon.
12. Sept. Zweiter Tag der Militärdebatte. Reden der Abg. v. Patow,
v. Vincke-Stargard und Gneist und der Minister v. d. Heydt und Roon.
15. „Dritter Tag der Militärdebatte. Reden der Abg. Schultze—
Delitzsch und Osterrath und der Minister Bernstorff und Roon.