Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dritter Jahrgang. 1862. (3)

Preußen. 175 
catorische nennen können. Nachdem in der Commission die Haltung an— 
gedeutet worden ist, welche die k. Staatsregierung annehmen würde, wenn 
sie eine praktische Verständigung nicht zu erreichen vermag, verspricht sie sich 
für letztere keinen Gewinn, wenn sie mit derselben politischen Schärfe der 
gestrigen Vorträge der Theorie ihre Theoric gegenüber stellen wollte; 
dazu wird die Zeit kommen, wenn die Aussicht auf eine friedliche 
Ausgleichung geschwunden sein sollte. Das Amendement des 
Hrn. v. Vincke und Genossen wurde uns erst gestern bekannt, und da wir 
die Hoffnung schöpften, eine Vermittlung daran knüpfen zu können, so 
wünschte das Ministerium die Vertagung, um sich darüber schlüssig zu machen. 
Demgemäß erlaube ich mir, die Erklärung abzugeben, daß die k. Staats- 
regierung in der Annahme des Amendements des Hrn. v. Vincke und Ge- 
nossen ein Unterpfand für die entgegenkommende Aufnahme ihrer Bemühnn- 
gen zur Verständigung erblickt und, wenn die Annahme erfolgt, Vorschläge 
machen wird, welche auf den Antrag eingehen, ohne sich dessen Mo- 
tive anzueignen. (Lebhafter Widerspruch und greße Unruhe, so daß 
der Präsident Gebrauch von der Glocke machen muß.) Die im Amendement 
für 1862 in Aussicht genommenen Schritte würde es dann thun, wenn er- 
sichtlich wäre, daß der Etat nicht rechtzeitig zu Stande käme.“ 
Diese Erklärung, die wohl die von dem Antrag Vincke in Aus- 
sicht gestellte Ertheilung eines vorläufigen außerordentlichen Credites 
annimmt, die überaus scharfe rechtliche Begründung der Stellung 
des Landtags gegenüber der Regierung in der ganzen Frage dagegen 
ablehnt, befriedigt das Haus nicht. Mit 251 Stimmen gegen 36 
wird der Antrag der Commission angenommen. Die Mehrheit be- 
steht aus der Fortschrittspartei, dem linken Centrum, der Fraction 
Rönne, der polnischen und einem Theile der kath. Fraction; die 
Minderheit besteht aus der Fraction Vincke, der feudalen und dem 
andern Theile der kath. Fraction. 
9. Oct. Entlassung des Ministers des Ausw. Graf Bernstorff und des 
 
 
Handelsministers von Holzbrink. Hr. v. Bismark wird zum Prä- 
sidenten des Staatsministeriums und zum Minister des Auswär- 
tigen ernannt. 
„ Das Abg.-Haus lehnt nach zweitägiger Debatte den Gesetzes- 
entwurf, betr. die außerordentlichen Bedürfnisse der Marineverwaltung 
nach dem Antrage der Commission ab — nur 200,000 Thlr. für 
Uebungsschiffe, für welche der Kriegsminister Indemnität nachsucht, 
werden bewilligt — und beschließt, die Regierung aufzufordern, dem 
Landtage in der nächsten Session einen vollständigen Plan zur 
schleunigen Entwickelung der Kriegsmarine nebst Nachweis der zur 
Ausführung dieses Plans erforderlichen, der Finanzkraft des Landes 
entsprechenden Deckungsmittel zu verfassungsmäßiger Prüfung vor- 
zulegen. 
10.„ Der König empfängt eine Loyalitätsdeputation aus Halle und 
antwortet ihr auf ihre Ergebenheitsadresse: 
„Sagen Sie denen, in deren Auftrag Sie gekommen sind, daß es Mei- 
nem Herzen sehr wohl thut, wenn solche Gesinnungen ausgesprochen werden. 
Aehnliche Zustimmungen sind bereits aus verschiedenen Theilen des Landes
	        
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