Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dritter Jahrgang. 1862. (3)

Otsterreich. 219 
nen. Graf Rechberg rede zweidentig; erst sage er, Oesterreich stehe 
nicht isolirt, und dann heiße es, man rüste in Sardinien und des- 
halb müsse Oesterreich auch rüsten. Die Regierung solle im Ein- 
verständniß mit Frankreich die italienische Frage lösen, d. h. die 
Einheit Italiens hindern und die päpstliche Macht erhalten. Mit 
Preußen sei eine Allianz nicht rathsam, doch wolle er die Gründe 
hierfür in diesem Saale, wo auch Vertreter nichtdeutscher Natio- 
nalitäten sitzen, nicht weiter erörtern. Aber mit England solle 
Oesterreich eine Allianz schließen zur Lösung der orientalischen 
Frage: 
Graf Rechberg: „Es gab Zeiten, wo allerdings die Cabinette sehr hohen 
Werth darauf legten, für alle Eventualitäten sich im Boraus durch Allianzen 
sicher zu stellen. Es war das die alte, nunmehr veraltete diplomatische 
Schule, welche dieser Lehre anhing und ich will ihr durchaus keinen Vor- 
wurk daraus machen; sie war durch die damaligen Zeitverhältnisse und 
mangelhaften Postverbindungen eine Nothwendigkeit. Indessen hat es doch 
auch seine großen Schattenseiten bei diesen Allianzen. Die Geschichte lehrt 
uns, wie oft die Eventualitäten, auf welche solche Allianzen berechnet waren, 
nicht eingetreten sind., wie oft statt dieser Wendung gerade die entgegen- 
gesetzteste Wendung in der Wirklichkeit stattgefunden hat und wie sehr sich 
dann die Cabinette durch die früher geschlossenen Allianzen gebunden fühlten. 
in ihrer freien Bewegung, wie sehr es ihnen dann unmöglich gemacht wurde, 
gerade den geeigneten Augenblick zu der Beschützung des eigenen Interesses 
des Landes zu benützen. Es hat aber noch einen zweiten sehr wesentlichen 
Nachtheil, und auch hierüber liefert uns die Geschichte traurige Beispiele. 
Es ist gar nicht möglich, Allianzen so zu schließen, den Wortlaut so zu 
fassen, daß sie nicht eine Hinterthür ofsen lassen. Treten nun veränderte 
Verhältnisse ein, so dienen diese Hinterthüren dazu, sich den Verpflichtungen, 
welche mit solchen Allianzen übernommen worden sind, zu entziehen und 
diejenige Macht, die sich durch diese Allianzen gesichert glaubte, befindet sich 
plötzlich isolirt und verlassen. Unsere eigene Geschichte liefert uns traurige 
Belspiele hievon. Alle Allianzen, die geschlossen worden waren, um ihrer 
Zeit die Erfolge zu sichern, erwiesen sich als null und nichtig, als es wirklich 
dazu kam, und waren nichteim Stande, die gefahrvollsten und ernstesten 
Krisen von Oeslerreich fern zu halten. Die neuere Schule der Diplomatie 
ist daher, wenngleich sie die Allianzen nicht verwirft, doch der Ansicht, daß 
man dabei mit großer Vorsicht, mit großen Rückhalten vorgehen solle. Sie 
verwirft nicht, wie ich eben gesagt habe, die Allianzen, sie hält es aber von 
viel größerem Werthe, sich mit den anderen Staaten auf einen Fuß des 
Vertrauens, auf einen Fuß der Freundschaft zu setzen. Ist einmal Das er- 
reicht, dann kommen die Allianzen von selbst. Uebrigens gibt es zwei Arten 
von Allianzen, ich weiß nicht, von welcher der Herr Vorredner gesprochen 
hat. Es gibt Allianzen, die nicht geschrieben find, die sich aber von selbst 
machen durch das Verfolgen derselben Zwecke, durch die Gemeinschaft der 
Interessen. Diese sind die verläßlichen Allianzen. Die geschriebenen bieten 
verhältnißmäßig nur geringen Werth und weniger Sicherheit (Heiterkeit). 
Ich glaube, daß der sehr geehrte Herr Vorredner nach dem was ich gesagt 
habe wohl schwerlich sich meiner Ansicht über die Allianzen anschließen wird; 
ich glaube aber, daß er sich vollkommen beruhigen wird über die Lage Oester- 
reichs, wenn ich sage, daß ich im Stande bin zu erklären, daß die Be- 
ziehungen Oesterreichs nicht nur zu Frankreich, sondern auch 
44° England und den übrigen Großmächten sich auf das Freund- 
chaftlichste, auf das Intimste und auf dem Fuße des Vertrauens gestalten“.
	        
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