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Deutschland.
mern und Vereinen, immer entschiedener geltend gemacht haben und die in
dieser ihrer mäßigen Fassung auch Seitens der Regierungen nur selten ei-
nem Widerspruch, ja gelegentlich Seitens einiger derselben einer entschiede-
nen Zustimmung begegnet sind. — Die großh. Regierung glaubt deßhalb
nicht nur das thatsächliche Vorhandensein einer solchen großen nationalen
Bewegung als feststehend betrachten, sondern auch die vielfache sittliche wie
geschichtliche Begründetheit und Berechtigung als eine bereits zugegebene
Wahrheit voraussetzen zu können. — Schon dauert sie seit der Auflösung
des deutschen Reiches und der Gründung der gegenwärtigen Bundesverfas-
sung. Im Jahre 1848 hat sich die zerstörende Kraft derselben an den be-
stehenden Staatszuständen erprobt. Die Gefahr der Wiederkehr ähnlicher
Ausbrüche ist nicht ausgeschlossen, so lange der tiefe Unmuth über den
Mangel jeder nationalen Leistung die gegenwärtige Ordnung mit dem Vor-
wurf treffen kann, denselben zu. verschulden. Sollten solche Erschütterungen
nicht ausbleiben, so ist zu fürchten, daß deren Folgen für die Throne, wie
für die Existenz der Einzelstaaten verhängnißvoll werden.“
„Wir aber suchen vergeblich bisher nach einem Vorschlage, welcher für
die- Gemeinsamkeit größere politische Erfolge verspricht, als die Idee eines
engeren Bundes im forterhaltenen größeren Verbande, wie
sie im Wesentlichen Herr Graf von Bernstorff in seiner Beurtheilung des
Entwurfes des Frhrn. v. Beust gleichfalls angenommen hat. — Dagegen
vermissen wir in den Einwürfen gegen den engeren Bundesstaat jede Be-
gründung des wesentlichsten Bedenkens — des als gewiß angenommenen
Erfolges, daß dieser weitere Bund größeren Wechselfällen ausgesetzt sein soll,
als es jetzt schon der deutsche Bund gewesen ist. — Im Gegentheil darf
angenommen werden, daß durch Hinwegräumung der Hauptveranlassungs-
gründe vorhandener Meinungsverschiedenheiten unter den deutschen
Großstaaten die Beziehungen derselben den natürlichen Interessen ent-
sprechen würden, welche beiden Staaten in den wichtigsten Fragen gemein-
sam sind — und daß ein Verhältniß begründet werden wird,
in welchem für einen erwiesenen großen nationalen. Dienst — aber auch
nur für ihn — willig eine nicht karge Gegenleistung übernommen werden
könnte. Durch eine solche künftige, die eigene Sicherheit wechselseitig ver-
bürgende Ergänzung des einmal zur Macht ausgebildeten, geeinigten Deutsch-
lands und des mächtig verbrüderten Kaiserstaates würde uns in der That
ein lohnendes und für die ganze Gemeinschaft heilbringendes Werk voll-
bracht scheinen — darin würden auch wir dann die endliche po-
litische Consolidation des Bundes erblicken und um so bereit-
williger zu derselben die Hand bieten — als wir gewohnt sind, in der
engen Verbindung aller Theile dieses weiteren Völkerbundes die Funda-
mentalbedingung der Sicherheit und Machtstellung Deutschlands zu sehen. —
Es kann vorerst davon Umgang genommen werden, näher auf die Organi-
sation eines solchen engeren Bundesstaates einzugehen. Es
wird genügen, im Allgemeinen die Grundlagen zu bezeichnen, welche für
denselben durch den Zweck, wie wir ihn oben entwickelten, gegeben sind, und
welche uns so lange maßgebend erscheinen werden, als die ganze Idee des
engeren Bundesstaates nicht durch veränderte Verhältnisse, von welcher Seite
dieselben auch eintreten mögen, als unausführbar sich erweist. — Die Großh.
Regierung will diesen Bundesstaat aber vor Allem — weil er eben nicht
der Einheitsstaat ist, sondern die nicht nur für die Individualität des
deutschen Volkes angemessenere, als auch vollkommenere Form des staat-
lichen Lebens überhaupt. Sie will ihn, weil der Bundesstaat die Erhaltung
der Selbstständigkeit der deutschen Staaten verbürgt und die Grundlagen
derselben unberührt läßt — während er allein eine Leistung für die Ge-
meinschaft durch das verfassungsmäßig geordnete Zusammenwirken aller
Theile ermöglicht. — Zunächst ist es nämlich unsere, durch die bestimmteste