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Deutschland.
tretung durch Ausschüsse der Einzelkammern oder aus direkten Wahlen zu
bilden sei, kann füglich vorerst als eine offene, außer Erörterung gelassen
werden. — Eine solche Nationalvertretung kann allein den Hintergrund
bilden, auf dem in ungetrennter Einheit die Achtung der Einzelinteressen
mit der Rücksicht auf die Bedürfnisse des Ganzen verbunden wurzelt. Nur
sie trägt einen Organismus, in welchem die im Leben ungetheilt neben
einander liegenden Bedürfnisse stets gleichzeitig wirksam werden.“
„Beschränkt sich für die Großh. Regierung das dringendste Bedürfniß der
Reform somit darauf, daß diejenigen Regierungsbefugnisse centralisirt wer-
den, welche mit der Vertretung und Vertheidigung der Nation nach außen
zu thun haben, so glauben wir doch nicht, daß damit der Kreis der Befug-
nisse der Centralregierung absolut abgeschlossen sein sollte, wenn ein weiteres
Bedürfniß sich zeigen würde. Allein unserer Ansicht nach würde es rathsam
sein, die Zuweisung eines jeden weiteren Zweiges der bisher von den Ein-
zelregierungen geübten Funktionen von der freien, auf die Ueberzeugung
der Zweckmäßigkeit gegründeten Vereinbarung abhängig zu machen. Da-
durch würde einerseits der Central-Institution jede wünschenswerthe Dehn-
barkeit erhalten, andererseits die Einzelstaaten der Gefahr entzogen, wider
ihren Willen und ihre Ueberzeugungen Funktionen der gemeinsamen Leitung
überwiesen zu sehen, deren Erhaltung in unmittelbarer Verfügung ihnen
werthvoll scheinen könnte.“
„Müssen wir zugleich zugeben, daß die Souverainetät der deut-
schen Fürstenhoheit durch eine Umgestaltung der Bundesverfassung in
diesem Sinne eine scheinbare, aber auch nur eine scheinbare Minde-
rung erfahren würde, so wird die bisherige Stellung andererseits durch
Theilnahme an der größeren Macht des Ganzen wesentlich gebessert. Ein-
mal wird in keiner Weise principiell dem Wesen der Souverainetät eine
Beschränkung auferlegt. Wir sehen vielmehr die im Obigen als nothwen-
dig geforderten Beschränkungen nur als nothwendige weitere Ausführungen
derjenigen Beschränkung an, welche die Bundesakte selbst der Souverainetät
der deutschen Fürsten durch die Verpflichtung gegen Bund und Mitfürsten
aufgelegt hat. Daß im Laufe der Zeiten diese Beschränkung eine formelle
Umgestaltung erfahren muß, und die Art und Weise der Ausübung, gegen-
über der unwandelbar gleichen Verpflichtung gegen das gemeinsame Vater-
land, sich modificirt, berührt das Princip der Berechtigung selbst nicht.“
„Von einer Auflösung des Bundesvertrages ist bei einer solchen naturge-
mäßen und bloß das Wohl des Ganzen in's Auge fassenden Reorganisation
des Bundes in keiner Weise die Rede, und es würde der Charakter des
Bundes als eines „unauflöslichen Vereins der deutschen Staaten“ dadurch
keineswegs leiden, daß es einzelnen deutschen Bundesstaaten zur Zeit viel-
leicht schwer fallen könnte, sich einer solchen einheitlichen Centralregierung
unterzuordnen und ihr Verhältniß insofern ein privilegirtes genannt werden
müßte, als denselben freigestellt werden müßte, statt in ein engeres Bundes-
verhältniß mit den anderen deutschen Staaten einzutreten, in dem bestehen-
den zu verharren. — Indem die Bundesverfassung demgemäß sich dem
Gesetze der größtmöglichen politischen Leistung, wie ernste Pflicht sie zu er-
streben gebietet, fügt, und sich dem jedesmaligen Bedürfnisse anpaßt, steht
nichts im Wege, mit allen Staaten, welche der Ausbildung des deutschen
Staatenlebens im eigenen Interesse nicht zu folgen vermögen, vorerst das
Verhältniß wechselseitiger Rechte und Verpflichtungen aufrecht zu halten,
welche den materiellen Inhalt des Bundesvertrages von 1815 ausmachen. —
Dagegen, daß Deutschland aus einem Zustande verhältnißmäßiger politischer
Schwäche zu einer Großmacht sich erhebe, und so die Mittel erlange, über-
nommene Verbindlichkeiten in ausgedehntem Maaße zu erfüllen, kann billi-
ger Maaßen von Seiten der Staaten, welche dieser kräftigeren Organisation
sich nicht anzuschließen vermögen, keine Beschwerde erhoben werden. Kein