Rom. 295
Nehmt Euch wohl in Acht, daß bei dem bevorstehenden Zusammentritt der
Bischöfe in Rom nicht die weltliche Herrschaft als Dogma erklärt werde".
Wäre der arme Priester hier, den Wir viel lieber elnen guten Priester nen-
neun möchten, so würden Wir ihm sagen, wie Wir es Euch, die ihr anwe-
send seid, sagen: Seid sicher, daß der heilige Stuhl die weltliche Herrschaft
nicht als Dogma des Glaubens aufstellt; er erklärt jedoch, daß die weltliche
Herrschaft nothwendig und unerläßlich ist, so lange diese Anordnung der
Vorsehung andauert, um die Unabhängigkeit der geistlichen Macht aufrecht
zu halten... Aus einem Uns naheliegenden Reiche sind uns Zuschriften
einiger Geistlichen zugekommen, in denen sie Uns in heuchlerischer Weise in-
sinuiren, Verzicht zu leisten auf die weltliche Herrschaft, die für sie, oder
besser gesagt, für ihre Rathgeber höchst unbeqguem und ein Hinderniß für die
Vollführung ihrer antichristlichen und antisozialen Auschläge ist. Gleichzeitig
sind Uns aber auch andere, gleichfalls von Geistlichen unterschriebene Briefe
zugekommen, voll ehrfürchtiger Liebe für diesen heil. Stuhl, aus welchen
Briefen hervorgeht, daß jene Regierung- oder ihre Repräsentanten oder
Emissäre gedruckte Formulare entsenden, die Wir gelesen und gesehen
haben, wobei irgend einem armen Priester oder Kleriker insinuirt wird, sie
zu unterzeichnen, in dem doppelten Zwecke, glauben zu machen, daß der
Klerus das ungereimte Prinzip der Unvereinbarkeit der geistlichen mit
der weltlichen Herrschaft aufstellt und um eine Spaltung herbeizuführen
zwischen dem niederen Klerus und dessen Bischöfen, deren bewundernswerthe
Eintracht in diesen Momenten die Bewunderung der ganzen Welt erregt.
Die guten Geistlichen, die Uns schreiben, bitten Uns, keinen Glauben beizu-
messen den Verirrungen weniger Abgewichenen. . Wir unsererseits wollen
trachten, daß die Umtriebe zur Herbeiführung einer Spaltung zwischen den
Hirten und der Heerde nicht geliungen sollen“.
23. April. Der Paypst erläßt ein Rundschreiben an die Bischöfe im Orient, wo-
rin er entwickelt, daß das Vorrecht des Sitzes des heiligen Petrus und die
Verschiedenheit der kirchlichen Riten der katholischen Kirche nicht entgegen
sind. Der Papst zeigt an, daß er eine Bruderschaft zum Zweck der Prepa-
ganda für die orientalische Kirche gebildet hat und sordert von den Bischöfen
einen detaillirten Bericht über den Zustand ihrer Diözesen. Der Papst srricht
außerdem das Verlangen aus, die orientalischen Bischöfe gelegentlich der
Kanonisation der japanesischen Märtyrer in Rom umarmen zu können.
28. „ Da Rußland verlangt, daß ein päpstlicher Nuntius in St. Petersbur
die Beziehungen mit der katholischen Geistlichkeit Rußlands (Polen) nur durc
das Mi#ttel des Kultusministertums unterhalte, so verzichtet der Papst
darauf, einen Nuntius dahin zu senden.
15. Mai. Zusammentritt des Concils in Rom. Französische Bischöfe,
Priester und Laien finden sich dabei so zahlreich ein, daß es wie
eine andere „französische Invasion“ erscheint.
19. „ General Goyon verläßt Rom. (s. Febr.)
22. „ Das Concil spricht die Kanonisation der Japanischen Märtyrer aus.
9. Juni. Allocution des Papstes im versammelten Concil:
... Mit Stillschweigen übergehen wir die so mancherlei schweren Be-
leidigungen, Schmähungen und Kränkungen, wodrurch die Diener der Kirche
und dieser apostolische Stuhl versolgt werden. Auch reden wir nicht von
jener abscheulichen Heuchelei, womit die Häupter und Spießgesellen dieser
Auflehnung und dieser Unordnung, besonders in Italien, sich den Schein
geben, als wollten sie, daß die Kirche sich der Freiheit erfreue, während sie
mit kirchenschänderischer Frechheit täglich mehr und mehr die Rechte dieser