Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dritter Jahrgang. 1862. (3)

9. Schweden und Uorwegen. 
21. Jannar. Das sog. Reformcomité übergibt dem Justizminister die Adresse 
an den König mit den aus allen Theilen Schwedens eingelaufenen Peti- 
tionen um eine durchgreifende Reform der Versassung. 
Adresse an den König: „Seitdem der Bürger= und der Bauernstand 
im letzten Reichstag beschlossen haben, in unterthänigen Petitionen bei Ew. 
k. Maj. anzuhalten, daß Hochdenselben gefalle, dem nächsten Reichstag einen 
Vorschlag zu einer neuen Repräsentation vorzulegen, die auf gemeinschaft- 
liche Wahlen aller Abtheilungen der bürgerlichen Gesellschaft, ohne Rücksicht 
auf Stände und Elassen, und auf solche Bedingungen für Wahlrecht und 
Wählbarkelt gegründet seien, die durch die politische Entwicklung der letzten 
Zeiten und die Ansprüche auf geordnete Freiheit gefordert werden, um die 
Bedingungen für allgemeines Recht im Verein mit allgemeiner Sicherheit 
zu erfüllen, sind Mitglieder der verschiedenen Reichsstände zusammen- 
getreten. Es ist nun aus allen Theilen des Reichs eine große An- 
zahl Listen, mit Unterschriften von 37,972 Mitbürgern versehen, einge- 
gangen.. Alle haben sich mit dem Gesuch des Bürger= und Bauern- 
standes vereinigt, daß es Ew. k. Maj. gefalle, der Nation einen Vorschlag 
zu einer neuen Repräsentation zu schenken, welche deren Bedürsnissen ent- 
spreche. . Zufolge einer langen Erfahrung hegen sie und alle die Ueber- 
zeugung, daß unter den gegenwärtigen Umständen kein Vorschlag zu einer 
durchgreifenden Veränderung im Repräsentationswesen auf verfassungsmäßigem 
Wege durchgeführt werden könne, der nicht von Ew. k. Maj. genehmigt ist, 
und für den sich Hochdieselben nicht selbst an die Spitze stel- 
leu. Andererseits glauben sie schließlich daß, wenn ein solcher Vorschlag 
von Ew. k. Maj. ausgeht, unterstützt und mit Liebe umfaßt von der Mehr- 
zahl der Denkenden in der Nation, derselbe sicher und in kurzer Zeit den 
Widerstand besiegen werde, dem es bisher immer geglückt ist, jeden Versuch 
in dieser Nichtung zu nichte zu machen. Dann, aber auch nur dann erst 
wird das schwedische Volk, nicht mehr in ungleiche Classen mit gegenseitig 
ungleichen Interessen zersplittert, ein Ganzes werden, einig zur Ausfühdung 
dessen, was noch zur Hebung des Wohlstands des Landes und zur Siche- 
rung seiner Vertheidigung erfordert wird, einig auch, um im Bunde mit 
dem Brudervolk jeden fremden Eingriff in unsere Selbstständigkeit zu- 
rückzuschlagen.“". 
Antwort des Justizministers de Geer: „Daß das Vaterland 
einer zeitgemäßeren Repräsentationsweise bedürfe, steht für mich eben so un- 
abweislich da wie für euch und die vielen, für welche ihr auftretet. Es ist 
mein fester Glaube, daß eine Reform — ausgeführt in der Richtung, die 
mit Glück nicht nur von den uns nächstverwandten Völkern, sondern von 
fast dem ganzen übrigen freien Europa betreten worden ist — beitrüge, das 
schwedische Volk einig und stark zu machen, und weniger Gefahren mit sich 
führen würde, als die, welche von der Beibehaltung der Ständerepräsentation 
zu erwarten sind. Mit dieser Ueberzeugung würde ich es vor mir selbst 
nicht verantworten können, wenn ich auf dem Platz, den ich jetzt inne habe,
	        
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