Rußland. 329
Vorsehung und die Gefühle der Rechtschaffenheit, welche der. Staatsrath
bereits bethätigt habe. Die seiner Leitung anvertraute Regierung werde
vom gesetzlichen Wege nicht abweichen, aber auch nicht gestatten, daß
Jemand die Gesetze übertrete. Seit der Verkündigung des Kriegszustandes
seien 499 Personen verurtheilt worden; davon haben 134 Personen die
Strafen verbüßt, 289 sind begnadigt, sieben hatten sich der Strafe entzogen
und 69 verbüßten noch ihre Strafen. Die dem Lande verliehenen Insti=
tutionen werden ausgeführt. In der Mehrzahl der Kreise haben die Räthe
bereits getagt. Die Stadträthe seien mit Erfolg thätig; 17 Städte hätten
um ähnliche Räthe petitionirt. Die Hochschule und das polytechnische In-
stitut werden eröffnet. Der Entwurf zum Gesetz für den öffentlichen Unter-
richt, dessen Ausarbeitung ein Hauptverdienst seines Mitarbeiters, des Chefs
der Civilverwaltung (Wielopolski's), habe im Schooße des Staatsrathes
Anerk nnung gefunden. Die Autonomie des Königreichs habe neue An-
erkennung gefunden durch Aussonderung einiger Zweige des öffentlichen
Dienstes, der Post, der Communicationswege aus dem Ressort der Be-
hörden des Kaiserreichs. Die ausgeführten Reformen erfordern Modifica-
tionen des Finanz-Systems. Durch Abschaffung der drückenden Besteuerung
der Hofdlenstleute als Folge der Aufhebung der Frohndienste und der so-
genaunten Koscherabgabe in Folge der Juden-Cmancipation seien Ausfälle
entstanden, die durch Erhöhung der Branntweinfabrikations-Steuer gedeckt
werden müßten. Außerdem habe der Staatsrath das Einnahme= und Aus-
gabebudget für das künftige Jahr, ferner den Gesetzentwurf der Expro-
priation, der Erecution der Steuern und fiscalischen Forderungen, die Ein-
richtung einer Cassationsinstanz in Sachen der Zinsbarmachung und das
Project der innern Organisation des Staatsraths zu berathen.
1. Oct. Die Adelsversammlung Podoliens beschließt einstimmig in
einer Adresse an den Kaiser die Vereinigung dieses Landes mit
Polen zu verlangen: .
„Erhabenster Monarch! Der durch das Gesetz zur Vertretung der Landes-
interessen ermächtigte Adel Podoliens wägt das allgemeine und augenblick-
lich einzige Verlangen des Landes vor dem Thron Ew. Maj. in der Ueber-
zeugung auszusprechen, daß er im Namen aller auftrete, die für das Wohl
des Landes fühlen. Die durch die feierliche und freiwillige Union von
Lublin mit Polen vereinigten kleinrussischen Landestheile sind mit ihm in
gleicher Eivilisation zu einer Nation verwachsen. Ihr öffentliches Leben,
ihre intellectuelle Entwicklung tragen seit Jahrhunderten den ausschließlich
polnischen Charakter an sich. Die Grundlage aber der Stärke und Dauer
des polnischen Elements ist, unabhängig von spätern politischen Erschüt-
terungen, der Grundsatz der nationalen Repräsentation und der bürgerlichen
Freiheit. Im Laufe des vergangenen halben Jahrhunderts hat eine dem
Geiste der Gesellschaft widerstrebende Regierungspolitik unaufhörlichen Streit
erzeugt, dessen heut erlangte Höhe jeden rechtlichen Bürger tief betrübt.
Der Adel Podoliens bittet Ew. Maj. durch Ihren Allerhöchsten Willen diesem
Zustand ein Ende zu bereiten. Als das einzige dahin führende Mittel be-
trachtet der podolische Adel die Wiederherstellung der administra-
tiven Einheit Polens, Einverleibung der westlichen Pro-
vinzen in dieses Königreich, bei vollkommener Achtung der Rechte
der ländlichen Bevölkerung, welche in der neuesten Zeit auf das Feld poli-
tischen Wirkens berufen ist. Der warme Antheil des polnischen Adels an
der definitiven Regelung der Bauernfrage, das aus langjährigen Bemühungen
fließende Gefühl, die bürgerliche Würde und Freiheit auf alle Stände aus-
sehnen, ist die sicherste Bürgschaft der Aufrichtigkeit der nunmehr ge-
(Geehen en Schritte. Abweisend jeden Gedanken an ein Uebergewicht eines
tamms über den andern, bleibt der Adel Podoliens treu der polnischen