Rußland. 331
Sitzung des Departements präsidirt ein Departements-Chef, der dazu vom
Kaiser ernannt wird und den Titel Oberpräsident führt. Der Senat hat
dieselbe Organisation wie die Gerichtshöfe, nur daß für die allgemeine
Sitzung seiner Departements ein besonderer Präsident ernannt wird. Jedem
Gerichtshof ist ein Procurator beigegeben, mit der Bestimmung, auf die
Befolgung der vorhandenen Gesetze zu sehen, Uebertretungen derselben an-
hängig zu machen, und etwaige Lücken in der Gesetzgebung zur Entscheidung
vor den Minister zu bringen. Die Präsidenten haben auf die Regelung
und Leitung des Gerichtsverfahren bei jeder Behörde, sowie auf die Ord-
nung in den Sitzungen zu sehen. Die Aburtheilung in Civil= und Kriminal-
sachen findet öffentlich in Gegenwart der Kläger, Angeklagten, Zeugen
und der bei dem Prozeß unbetheiligten Personen statt, doch können letztere
in gewissen Fällen ausgeschlossen werden. Mit jedem gefänglich Eingezogenen
muß in den ersten 24 Stunden seiner Haft das erste Verhör vorgenommen
werden. Die Richter sind ebensowohl unabsetzbar als unversetzbar.
11. Oct. (Polen). In den Gubernien Lublin und Augustowo wird der Kriegs=
zustand aufgehoben, so daß nur noch Warschau und Plozk unter dem-
selben stehen.
„ „ (Finnlangy). Drohende Hungersnoth.
4. Nov. Graf Panin tritt vom Justizministerium zurück.
9. „ Rußland lehnt die von Frankreich beantragte Vermittlung in den
Nordamerikanischen Wirren ab.
10. „ Antwort der Regierung auf die Adresse der Adelsversammlung Podoliens:
Der Gubernialmarschall und alle Kreismarschälle, welche die Adresse unter-
zeichnet haben, werden ihrer Aemter entsetzt und an ihre Stelle treten Re-
gierungsbeamtete. Jene Marschälle sind außerdem sofort zu verhaften; sie
ind des Hochverraths schuldig und sollen vom Senat criminaliter gerichtet
werden.
20. „ Baron Budberg wird zum Botschafter in Paris, Hr. v. Oubril zu dem-
jenigen in Berlin ernannt.
21. „ Die Kaiserfamilie geht nach Moskau.
25. „ (Polen). Eröffnung der Unlversität Warschau.
28. „, (Polen). In Warschau ußert sich große Unzufriedenheit über den Modus
der bevorstehenden Recrutirung, wonach die ländliche Bevölkerung von
der Aushebung wesentlich befreit sein soll. Eine Deputation der Stadt
überreicht dem Großfürsten Statthalter eine Eingabe dagegen; die Antwort
ist jedoch ausweichend.
— Dez. Die Adelsversammlung von Minsk (Litthauen) beschließt mit
285 von 297 Stimmen, vom Kaiser durch eine Adresse die Ver-
einigung mit Polen zu verlangen:
„Allergnädigster Herr! Der Adel der Minsker Gubernie, zu Wahlbera-
thungen versammelt, welche ihm allein in dem ganzen Wilnaer Gebiete ge-
stattet wurden, benützt das ihm, als einzigem Repräsentanten des Landes
zustchende Recht, die Wünsche desselben zu äußern, und legt vor dem Throne
Ew. Majestät die feierliche Erklärung seiner Wünsche und Bedürfnisse nieder.
Zum ersten Male erhoben wir unsere Stimme zu Ew. Majestät mit der
Bitte, um Emancipatlon der Bauern. Unsere Bitte sand Genehmigung in
dem edelmüthigen Herzen Ew. Majestät und auf deren Worte fielen die
Jahrhunderte alten Fesseln. Die Gleichberechtigung aller Stände und Con-
sessionen, die Gewissensfreihelt, Instltutionen, gestützt auf die Größe und die
Tradition der Nation — dies seien die Hauptbedingungen eines jeden socialen