Deulschland. 31
hat daher der getreue Landtag diejenige Stelle der höchsten Propositionsschrift
begrüßt, welche die Berechtigung des Strebens nach einer, dem nationalen
Bedürfnisse der Gegenwart wirklich entsprechenden Besserung der dermaligen
Verfassung des gemeinsamen Vaterlandes anerkennt. Es hegt der getreue
Landtag die sichere Zuversicht, daß Ew. k. Hoh., sobald es gelten wird, dem
allgemeinen Wohle Opfer zu bringen, unter Deutschlands Fürsten in erster
Reihe stehen werde. Nur die feste Zusammenfassung der gesammten deut-
schen Streitkräfte in Einer Hand und eine ein heiltliche Vertretung dem
Auslande gegenüber können der deutschen Nation die ihr gebührende Stel-
lung unter den Völkern Europa's vollkommen erringen. Deshalb erheischt
das nationale Bedürfniß der Gegenwart, die Schaffung einer Gewalt,
welcher die militärische Führung und die diplomatische Vertretung nach außen
allein zu übertragen sind. Ihre wahre Kraft und Lebensfähigkeit aber wird
eine solche Gewalt nur erlangen, wenn sie gestützt wird durch den patrioti-
schen Geist des deutschen Volks; daher tritt als das zweite gleich unerläß-
liche Erforderniß die Schaffung einer gemeinschaftlichen Volks-
vertretung, die Schaffung eines deutschen Parlaments her-
vor. Der getreue Landtag erkennt es für seine Pflicht, dies allgemein ge-
fühlte Bedürfniß mit bestimmten Worten vor Ew. k. Hoh. auszusprechen.
Sollten für solche Zwecke von Ew. k. Hoh. jemals Anverlangen an den
Landtag gestellt werden, so mögen höchstdieselben versichert sein, daß dem
Lande kein Opfer zu schwer sein wird, sowie denn auch das feste Vertrauen,
welches Ew. k. Hoh. auszusprechen gnädigst geruhten, vom Landtage sicher
dann nicht getäuscht werden wird, wenn insbesondere Anforderungen für
Schaffung einer Flotte zum Schutze deutscher Ehre und deutscher Inte-
ressen an ihn gelangen sollten. Die Theilnahme, welche Ew. k. Hoh. in
der höchsten Propositionsschrift diesen Bestrebungen auszudrücken gnädigst ge-
ruhten, erkennen sicher alle Freunde dieser großen patriotischen Sache mit
innigstem Danke an. Nicht minder drängt es aber den getreuen Landtag,
Ew. k. Hoh. die vollste Uebereinstimmung mit dem Wunsche auszudrücken,
daß da, wo das gestörte Recht nach Wiederherstellung verlangt, diese endlich
erfolgen möge. Wie für Sühnung der unerhörten Schmach in Schleswig-
Holstein, so haftet Deutschlands Ehre für Wiederherstellung des gebrochenen
Verfassungsrechts in Kurhessen. Wohl sind Ew. k. Hoh. vorzugsweise
berechtigt, jenen Wunsch und jenes Verlangen öffentlich auszusprechen; denn
Ew. k. Hoh. Staatsregierung gehört zu den wenigen deutschen Regierungen,
die dem gestörten Rechte den Schutz nie versagten. Es ist dem Landtag des
Großherzogthums jetzt zum erstenmal Veranlassung gegeben, über einen
Vorschritt der großh. Staatsreglerung, welcher noch in die Regierungszeit
Hr. k. Hoh. des höchstsel. Großh. Karl Friedrich fällt, der aber erst in
neuester Zeit wieder von Ew. k. Hoh. selbst bestätigt worden ist, sich aus-
zusprechen. Als im Jahre 1852 über das Einschreiten in der kurhessischen
Verfassungsangelegenheit bei der Bundesversammlung verhandelt wurde, war
es die großh. Staatsregierung, welche fast allein für das Recht des hessischen
Volks eintrat und die Aufrechthaltung der Verfassung von 1831, sowie die
Einberufung einer Ständeversammlung nicht auf Grund eines einseitig er-
lassenen, sondern nach Vorschrift des verfassungsmäßig bestehenden Wahl-
gesetzes von 1849 verlangte. Der getreue Landtag ergreift gern noch jetzt
die Gelegenheit, seine volle Anerkennung dieses Schritts und des seit jener
Zeit fortwährend von Ew. k. Hoh. eingehaltenen Verfahrens unterthänigst
auszudrücken. Möge der Tag nicht mehr fern sein, an welchem die Ver-
fassung Deutschlands die Möglichkeit bietet, das gestörte Recht überall that-
sächlich wiederherzustellen!“
Erklärung des Staatsministers v. Watzdorf vor dem Beginn der
Debatte: