Deutschland. 37
über das Heimathswesen, den Militär-Conventionen, vor Allem in dem
Zollverein. So sehr nun auch dergleichen Einzelverträge eine Gemein-
samkeit staatlicher Interessen begründen und Preußen in materieller Hinsicht
für andere Staaten unentbehrlich machen mögen, so zeigt doch schon das
Beispiel des Zollvereins, daß auf diesem Wege allein selbst durch große
materielle Opfer Preußens wesentliche politische Erfolge nicht zu erreichen
sind. Es soll nicht in Abrede gestellt werden, daß in solchen Dingen durch
einen Druck auf fremde Bedürfnisse und durch Sprödigkeit gegen fremde
Ansprüche bedeutendere Resultate erzielt werden können, und hoff entlich
beim Ablauf der Zollvereinsverträge werden erzielt werden. Indessen zu ei-
ner wirklichen bundesstaatlichen Organisation werden Vereinbarungen dieser
Art niemals führen. Unter den Vereinbarungen, welche sie empfiehlt, ver-
steht die Commission vorzugsweise solche, welche direct auf die Herstellung
eines Bundesstaates gerichtet sind. Auch für diese mag man sich gegen un-
befugte Einsprüche auf Artikel 11 der Bundesacte oder Artikel 6 der Schluß-
acte berufen. Die Commission glaubte jedoch in der vorzuschlagenden Reso-
lution selbst weder auf diese Bestimmungen, noch auf die bisherigen Verein-
barungen der k. Regierung hinweisen zu dürfen, weil sie doch zur Erreichung
des vollen Zieles nicht genügen. Die Reorganisation Deutschlands muß
nicht auf einen Artikel der Bundesverträge, sondern auf das na-
tionale Bedürfniß und die nationale Berechtigung gestützt
werden. Die Nothwendigkeit rechtfertigt auch die Abweichung von der
Bundesacte.
„Die Commission ist sich vollkommen bewußt, daß die Politik, welche sie
befürwortet, von einer theoretischen Construction ausgeht, und eine Wieder-
aufnahme der Unionspolitik von 1849 involvirt. Allein die Möglichkeit
und das Wünschenswerthe einer solchen bundesstaatlichen Construction hat
die k. Staatsregierung bereits selbst in der Note vom 20. Dec. 1861 aus-
geführt. Und die Unionspolitik ist im Jahre 1850 nicht an der unabän-
derlichen Natur der Dinge, sondern nur daran gescheitert, daß die dama-
lige Regierung die angestrebten Zwecke nur mit halbem Herzen, ohne Ener-
gie, im alleinigen Vertrauen auf den guten Willen widerstrebender Regie-
rungen verfolgte, wie andererseits das Frankfurter Parlament an dem Man-
gel wirklicher Machtmittel gescheitert war. Seitdem ist die Erkenntniß der
wahren staatlichen Bedürfnisse und Interessen, das Gefühl der Nothwendig-
keit sowohl der Zwecke wie der Mittel überall gewachsen. Es ist nicht zu
fürchten, daß Preußen abermals zu einer Umkehr und einem Aufgeben sei-
ner Politik genöthigt werden könnte, wenn es dieselbe mit ernstem Willen
und rückhaltloser Energie verfolgt, gestützt auf die nationalen Interessen des
deutschen Volkes und derjenigen Regierungen, welche sich der Würdigung
derselben nicht verschließen."“
„Ohne Zweifel wird das Ziel nicht in einer nächsten Zukunft, nicht auf
einmal in seinem ganzen Umfange erreicht werden. Auch die vollste und
allgemeinste Ueberzeugung von der Unhaltbarkeit der gegenwärtigen Ver-
fassungszustände hat von 1815 bis 1862 zu keinen positiven Neugestaltun-
gen geführt. Der Widerstand mächtiger historischer Verhältnisse wird sich
nur unter außergewöhnlichen Umständen überwinden lassen. Von verschie-
denen Seiten her wird deshalb auf Ereignisse speculirt, welche die wider-
strebenden Souveränitäten hinwegfegen sollen, sei es von Innen oder von
Außen. Im vorigen Jahre ist in dem hohen Hause geäußert worden: nur
in der äußersten Noth Preußens und Deutschlands wird es zur Einigung
kommen, aber wir müssen mit Entschiedenheit sagen, was wir wollen, wenn
dieser Fall eintritt. Dem Andrängen der gegnerischen Regierungen gegen-
über erscheint es mehr als je geboten, offen und klar das Ziel auszusprechen,
welchem die Entwicklung der Geschichte und die Nothwendigkeit der Dinge
entgegenstrebt. Deutschland muß wissen, daß Preußen bereit