Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

254 Handelsgesellschaft. 
dergrund tritt, so weisen doch zahlreiche Rechtssätze insbesondere die Art. 253; 254; 
257; 259; 261 Nr. 1, 2, 3 auf die Sozietätsnatur der stillen Gesellschaft hin. 
Sie ist aber keineswegs H. im technischen Sinne und unterscheidet sich von dieser 
vor Allem durch den Mangel einer Organisation nach Außen; sie hat daher keine 
gemeinschaftliche Wirma und kein Gesellschaftsvermögen. Im Einzelnen gelten folgende 
Grundsätze: 
I. Die stille Gesellschaft wird errichtet durch Vertrag, der der schriftlichen Ab- 
sassung oder sonstigen Förmlichkeiten nicht bedarf (Art. 250, Abs. 2). Der Inhaber 
des Handelsgewerbes sowol, wie der stille Gesellschafter können nicht nur einzelne 
physische Personen, sondern auch H. und juristische Personen sein. Der Komple- 
mentar ist stets Kaufmann (möglicherweise Minderkaufmann), nicht aber der stille 
Gesellschafter als solcher. — Eintragung der stillen Gesellschaft im Handelsregister 
ist unstatthaft. 
II. Das Rechtsverhältniß des stillen Gesellschafters zum Inhaber des Handels- 
gewerbes richtet sich zunächst nach dem Gesellschaftsvertrage. Der stille Gesellschafter 
ist verpflichtet, dem Komplementar die vertragsmäßige Einlage zu machen. Die- 
selbe kann in den verschiedenartigsten Leistungen, die einen Vermögenswerth darstellen, 
insbesondere auch in Diensten bestehen (dagegen v. Kräwel). Es kann sich daher 
auch ein Handlungsgehülfe an dem Handelsgewerbe seines Prinzipals durch Dienst- 
leistungen als stiller Gesellschafter betheiligen, in der Regel liegt hierin jedoch ein 
modifizirtes Dienstverhältniß (commis intéressé; vgl. Entsch des ROS#. Bd. XVII. 
S. 275). Die Einlage geht, sofern körperliche Sachen eingebracht werden, in das 
Eigenthum des Inhabers des Handelsgewerbes über, anderenfalls hat derselbe nur 
ein Forderungsrecht auf die vertragsmäßigen Leistungen. Der stille Gesellschafter ist 
im Zweifel von der Geschäftsführung ausgeschlossen, dieselbe kann ihm indessen ver- 
tragsmäßig eingeräumt sein. Sein Aufsichtsrecht ist beschränkt, er ist ebenso wie 
der Kommanditist nur berechtigt, die abschriftliche Mittheilung der jährlichen Bilanz 
zu verlangen und die Richtigkeit derselben unter Einsicht der Bücher und Papiere 
zu prüfen; aus wichtigen Gründen ist indessen der Richter befugt, jederzeit die er- 
forderlichen Aufklärungen anzuordnen (Art. 253). — Die Höhe der Betheiligung 
des stillen Gesellschafters am Gewinn und Verlust, welche am Schluß eines jeden 
Geschäftsjahres berechnet wird, unterliegt zunächst der freien Vereinbarung der Kon- 
trahenten, so daß sehr wohl der stille Gesellschafter von jedem Antheil am Verlust 
ausgeschlossen sein kann und auch eine fixe Rente als Gewinnantheil denkbar ist 
(Entsch. des ROH—#G. Bd. IX. S. 33). Sind keine Verabredungen getroffen, so hat 
der Richter nöthigenfalls unter Zuziehung von Sachverständigen die Höhe des Ge- 
winn= und Verlustantheils festzustellen (Art. 254). Der Gewinn, welcher von dem 
stillen Gesellschafter nicht erhoben wird, vermehrt im Zweifel dessen Einlage nicht. 
Der Jahresgewinn dient zunächst zur Deckung der durch Verlust geminderten ur- 
sprünglichen Einlage, dagegen ist der stille Gesellschafter nicht verpflichtet, in anderer 
Weise die verminderte Einlage zu ergänzen, insbesondere nicht den einmal richtig 
gezogenen oder den stehengebliebenen Gewinn (Entsch, des ROS#. Bd. XIII. S. 65) 
auf den Verlust anzurechnen (Art. 255). Der stille Gesellschafter kann wegen seiner 
Einlage, soweit dieselbe seinen Antheil am Verluste übersteigt, im Konkurse des Kom- 
plementars gemäß § 44 der RKO. abgesonderte Befriedigung verlangen. (Anderer 
Ansicht sind die Motive S. 225, welche die Sozietätsnatur der stillen Gesellschaft 
unberücksichtigt lassen.) 
III. Der Inhaber des Handelsgewerbes betreibt die Geschäfte unter seiner Firma, 
welche, sofern der Komplementar Einzelkaufmann ist, nicht das Verhältniß einer 
H. andeuten darf. Nur er wird dem Dritten gegenüber berechtigt und verpflichtet. 
Dem stillen Gesellschafter kann nicht einmal vertragsmäßig die Vertretungsbefugniß 
eingeräumt werden (anders Dahn). Der stille Gesellschafter haftet niemals über 
die Höhe seiner Einlage hinaus und ist im Fall des Konkurses des Geschäftsinhabers
	        
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