Deutschland. 79
kampfe der Wissenschaft und Liebe den einzigen Weg zur Heilung der reli-
giösen Spaltung ihres Vaterlands. — 2) Indem sie der Hoffnung leben,
daß das deutsche Volk aus seiner religiösen Entzweiung sich wieder erheben
werde und allseit das tiefste Verlangen trage, ihre getrennten Brüder auf
dem Boden der Einen und ewigen Wahrheit wiederzufinden, fordern sie alle
ehrenhaften Männer auf, den grassen Fanatismus zu verurtheilen, der in
einem Theile der deutschen Wissenschaft und Presse die Waffen der Lüge und
Verleumdung gegen die katholische Kirche führt. — 3) Angesichts der schreien-
den Ungerechtigkeit, mit der in deutschen Kammern und jüngst in ganz be-
sonderem Maße in der zweiten Kammer der Stände zu Darmstadt die Ge-
wissensfreiheit der Katholiken und die wohlerworbenen Rechte der Kirche an-
gegriffen wurden, erklärt die Generalversammlung feierlich, daß es Pflicht
aller Katholiken, der Laien wie der Priester ist, mit jedem erlaubten Mittel
Gesetzen entgegenzutreten, welche die Freiheit der Kirche und die volle Ent-
faltung des göttlichen Lebens hindern. — 4) Auf das tiefste durchdrungen
von der Würde der wahren Wissenschaft und vollkommen überzeugt von der
Nothwendigkeit einer allseitigen Fortentwicklung des menschlichen Geistes, glaubt
die Generalversammlung zugleich bekennen zu sollen, daß nach katholischen
Grundsätzen der von. Gott gegründeten Autorität der Kirche das Recht wie
die Pflicht zusteht, über alle diese Bestrebungen, in soweit sie das Gebiet der
religiösen Wahrheit berühren, nach dem Maßstab der göttlichen Offenbarung
zu urtheilen. — 5) Die Generalversammlung protestirt im Interesse der
christlichen Religion und im Hinblick auf das sittliche Wohl des deutschen
Volkes gegen jeden Versuch, die Schule von der Kirche zu trennen: sie ver-
langt für die Kirche das Recht, Schulen zu gründen und für die Familien
die Freiheit des katholischen Unterrichts. In jeder Maßregel, durch welche
katholische Schulstiftungen ihrem ursprünglichen Zweck entfremdet werden, er-
kennt sie ebenfalls eine schreiende Verletzung der Princips der Gerechtigkeit,
welche das Fundament der Staaten ist. — 6) Die Generalversammlung will
nicht unterlassen, mit wehmuthsvoller Theilnahme der Gräuel zu gedenken,
welche derzeit in Russisch-Polen verübt werden. Sie verabscheut in gleichem
Maße die unerhörten Gewaltthaten der russischen Regierung wie die unmensch-
lichen Handlungen der Revolution. Indem sie einen der tiefsten Gründe des
Unglücks, dem die polnische Nation verfallen ist, in der ungerechten Unter-
drückung der katholischen Kirche erkennt, fordert sie alle ihre Glaubensgenossen
auf, sich mit dem heil. Vater im Gebete zu vereinigen, damit sich Gott der
Leiden der polnischen Kirche und des um die Christenheit einstens hochver-
dienten, einer gottvergessenen Politik des vergangenen Jahrhunderts ge-
opferten polnischen Volkes erbarme. — 7) In unwandelbarer Treue dem
heiligen Stuhle ergeben und tiefgerührt von den endlosen Leiden des heiligen
Vaters, erneuert die Versammlung den feierlichen Protest gegen alle Gewalt-
thaten, durch welche die weltliche Macht des Pabstes verkümmert und seine
völkerrechtliche Stellung gefährdet wird. Sie bittet aufs angelegentlichste alle
Katholiken Deutschlands, in dem Eifer, mit dem sie Pius dem Neunten das
Almosen des Peterspfennig bisher gespendet haben, nicht zu erkalten, damit
die fortdauernde Noth des Vaters der Christenheit in der Beharrlichkeit seiner
Kinder Linderung finde.
22. Sept. (Fürstencongreß). Der König von Preußen beantwortet
das Collectivschreiben der Fürsten in Uebereinstimmung mit dem
Bericht des Staatsministeriums vom 15. d. M. Eine Circular-
depesche Bismarks theilt den preuß. Gesandten an den verschie-
denen deutschen Höfen diesen Bericht mit und rechtfertigt die darin
festgehaltenen Gesichtspunkte.
26. „ (Fürstencongreß). Graf Rechberg theilt den österr. Ge-