272
Oellerreich.
Der Entwurf der Commissionsmehrheit knüpst an das kgl.
Rescript vom 17. Nov. an den ungarischen Landtag an, acceptirt den dadurch
angebahnten Dualismus des Reichs und fährt dann sort: „Wenn aber bei
den gegebenen Verhältnissen als nothwendiges Collorar des Constitutionalis=
mus der verantwortlichen Regierung in den belden Reichshälften für die
jeder derselben gemeinsamen Angelegenheiten eine gesonderte Vertretung zur
Seite stehen muß, so könnte nur durch eine genaue Begrenzung ihrer Be-
sugnisse und durch die entsprechende Erweiterung der landtägigen Wirksam-
keit der historischen berechtigten Existenz der einzelnen Königreice und Länder
sowie ihrer unbehlnderten nationalen Entwicklung Genüge geleistet werden.
Tsef in unserm Innern wurzelt die Ueberzeugung, daß nicht durch eine Alles
abtödtende und beschränkende Gleichsörmigkeit, wohl aber durch die Garantien
der freiheitlichen und materiellen Entwicklung, vor allem durch Vereinsrecht,
Selbstverwaltung, Geschwornengerichte und durch eine den natürlichen Pro-
ductionsverhältnissen entsprechende Finanzpolitik, die Zusammengehörigkeit der
Bölker gefestigt, und daher die Macht des Staates erhöht werde. Das sol-
chergestalt in seinem Innern gekrästigte Oesterreich wird seinen Gegnern Ach-
tung gebieten, in den stammverwandten Nachbarvölkern mächtige Bundes-
genossen erlangen, seine providentirlle Aufgabe, ein Völkerreich zu sein, und
sich als solches sortzuentwickeln, mit Sicherheit erreichen.“
Entwurf der Commissionsminderheit: „ . Der treugehor-
samste Landtag hält es für seine gebieterische und unabweisbare Pflicht, dem
Gedanken freimüthig Ausdruck zu geben, daß in erster Linie die baldigste
Wiederherstellung verfassungsmäßiger Zustände und zu-
nächst die Ein berusung einer Reichsvertretung die Heilung der
schweren Wunden, unter denen das Reich darniederliegt, ermöglichen, die
Beschleunigung eines, alle Theile des Reiches gleich befriedigenden Ausgleichs
mit den Ländern der ungarischen Krone erleichtern, ein Wiederausblühen der
einzelnen Königreiche und Länder, ein Gedeihen des ganzen Reiches herbei-
führen werde. Sind einmal auf diesem Wege die zur Erhaltung der Macht-
stellung des Staates nach Außen, die Einheit des Reichs bedingenden, einer
Decentralisation unfähigen Momente sestgestellt, ist einmal dieser Grundpfeiler
der Verfassung zur befriedigenden Lösung der allseitigen Interessen im Wege
der freien Vereinbarung aller betheiligten Länder und der Krone gewonnen,
so wird der constitutionelle Weiterbau der Verfassung bei erweiterter Auto-
nomie der einzelnen Königreiche und Länder keiner bedeutenden Schwierigkeit
auf den vorhandenen Grundlagen unterworfen sein, und es kann der treu-
gehorsamste Landtag der Bukowina nur wiederholt seinen ehrfurchtsvollsten
Wunsch an den Stufen des Allerhöchsten Thrones niederlegen, daß dann auch
dem Kronlande Bukowina eine umfassendere Antonomie zu Theil werde, welche
ihm gestattet, auf dem Gebiete der Kirche, Schule und Gemeinde sich selbst-
wütig, individuell, nach dem Grundsatze der Gleichberechtigung fortzuent-
wickeln.“
Bei der Abstimmung wird der Entwurf der Mehrheit abgelehnt
und derjenige der Minderheit, der die Wiederherstellung der sistirten
Februarversassung ausdrücklich fordert, mit 15 gegen 11 Stimmen
angenommen.
11. Dec. Abschluß des Handelsvertrags mit Frankreich.
14.
„ (Kärnthen). Landtag: Adreßdebatte. Mit 28 gegen 3 Stim-
men wird der Entwurf der Commission angenommen:
„.. Durch die Folgen des Krieges losgelöst aus dem tausendjährigen
Verbande mit Deutschland, und mit diesem Mutterlande nur noch verbunden
durch die geistigen Bande der Stammes= und Sprachgemeinschaft, der gleichen
Gesittung und Cultur, muß das alte deutsche Reichsland Kärnthen um so