Oesterreich. 273
größeres Gewicht darauf legen, daß das Staatswesen und die Verfassung des
Kaiserreiches sich im Sinne wahrer Freiheit und aufrichtigen entschiedenen
Fortschritts thatsächlich entwickle. Die Bahnen, welche zu diesem Ziele füh-
ren, liegen allerdings abseits von denjenigen, die Ev. Maj. Regierung mit
dem Allerhöchsten Patente v. 20. Sept. 1865 betreten hat — sie sind anschei-
nend weniger frei, weil innerhalb der Schranken des Gesetzes sich bewegend
— sie werden aber dafür die Völker zur Freiheit führen und ermöglichen,
daß der Staat zur früheren Machistellung gelange. Der treugehorsamste
Landtag hält fest an der Rechtscontinuität der Verfassung vom
26. Febr. 1861 und ist überzeugt, daß dieselbe dem Ausgleiche mit Ungarn
nicht im Wege sein wird, weil alle den Bestand des Gesammtreiches nicht in
Frage stellenden Aenderungen auf verfassungsmäßigem Wege vorgenommen
werden können und weil nach der dermaligen Lage des Reichs das Interesse
der westlichen Länder nicht entgegensteht, die Autonomie Ungarns in jenen
Punkten anzuerkennen, welche zur Aufrechthaltung des Gesammtstaates nicht
mit Nothwendigkeit als gemeinsame betrachtet werden müssen. Die ge-
meinschaftliche parlamentarische Behandlung der gemein-
samen Angelegenheiten mit einem verantwortlichen Mini-
sterium ist nicht blos unerläßliche Voraussetzung für die
constitutionelle Freiheit des Reiches, sondern geradezu
eine unabweisliche Nothwendigkeit für den Fortbestand des-
selben. Ohne längern Ausschub muß cine parlamentarische Regierung es
unternehmen, gestützt auf die constitutionelle Mitwirkung des Reichsraths,
jene staatlichen Einrichtungen ins Leben zu rufen, welche persönliche, bürger-
liche und politische Freiheit schaffen und sichern und durch eine volks= und-
staatswirthschaftliche richtige Führung des Reiches auch die materielle Wohlfahrt
der Völker zu heben und dauernd zu begründen vermögen. Nur die also-
gleiche Einberufung des Reichsraths und die aufrichtige
Durchführung einer wahrhaft constitutionellen Regierungs-
sorm würde die Ueberzeugung geben, daß Oesterreichs Heil dort gesucht wird,
wo es einzig noch zu finden ist, daß unsern zerrütteten Finanzverhältnissen
und dem gesunkenen Staatscredite wieder aufgeholsen werde, und daß jene
· Unsråcht behalten, welche den Untergang unseres Vaterlandes als bevorstehend
ansehen.“
— Dec. (Vorarlberg). Der Landtag verzichtet auf den Erlaß einer
Adresse an den Kaiser, nachdem die vorjährige zu Gunsten der
Februarverfassung von demselben zurückgewiesen wurde. Dagegen
bringt der Landtag seine unveränderten Anschauungen in dem Bericht
seines Ausschusses über den Rechenschaftsbericht des Landesausschusses
neuerdings zum Ausdruck.
15. „ (Ungarn). Das Unterhaus nimmt den Adreßentwurf der Com-
mission (Deaks nach seinen Vorschlägen v. 7. d. M.) mit überwie-
gender Mehrheit an.
16. „ (Triest). Der Landtag genehmigt den Antrag auf Errichtung
einer juridischen Facultät mit ital. Unterrichtssprache.
17. „ (Croatien). Landtag: Beginn der Adreßdebatte.
Der gemeinsame Entwurf der vereinigten selbständig-natio-
nalen und der national-liberalen Partei verlangt im Wesent-
lichen: Abbrechen der Verhandlungen mit Ungarn und selb-
ständiges Vorgehen in der Regelung der staatsrechtlichen
Beziehungen mit der Kronez; Festhalten an dem sanctionirten Art. 42
vom Jahre 1861 bezüglich des staatsrechtlichen Verhältnisses zu Ungarn;
Anerkennung der Gesammtstaatsangelegenheiten im Sinne
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