Full text: Europäischer Geschichtskalender. Siebenter Jahrgang. 1866. (7)

294 Anhang. 
u bleiben, in der Bundesversammlung in einem Geist des Friedens und der Ver- 
sehnung zu wirken. 
„Da die preußische Regierung gegen uns den Wunsch ausgedrückt haite, uns 
in einem eventuellen Krieg neutral zu sehen, haben wir diesem Wunsche nach- 
gegeben; nur haben wir in Berlin erklären lassen, daß dic besonderen Bestimmungen 
dieser Neutralität erst in dem Fall der thatsächlichen Auflösung des deutschen Bundes 
geregelt werden können. Unser Beitritt zu dem Vorschlag Preußens war vollkommen 
in Uebereinstimmung mit den Umständen, da das Bundesrecht, indem es den 
Bundesgliedern den Krieg unter sich verbot, ihnen folgerichtig auch untersagte, an 
einem Krieg theilzunehmen, der trotz jenes Verbots zwischen zwei Bundesregierungen 
ausbrechen würde. Zur Begründung der feindseligen Handlungen, deren Preußen 
sich gegen unser Königreich schuldig gemacht, hat man kürzlich in Berlin behauptek, 
daß wir während der erwöhnten Neutralitätsverhandlungen gegen das Wiener Cabinet 
die Verpflichtung übernommen hätten, unsere Truppen gemeinfam mit dem in Hol- 
stein stehenden österreichischen Corps operiren zu lassen. Diese Behauptung ist voll- 
ständig falsch. Unsere Regierung hielt sich für gebunden durch die Versicherung, 
Neutralität beobachten zu wollen für den Fall der Auflösung des Bundesvertrags, 
und nur in dem Fall, daß unser Land durch Preußen angegriffen worden wäre, 
hätten wir die Hülfe angenommen, die Se. Maj. der Kaiser von Oesterreich uns 
anbieten ließ. Aber voll Vertrauen in die Loyalität der preußischen Regierung ließen 
wir Seiner kaiserlichen Majestät antworten, daß wir dieser Hülfe nicht zu bedürsen 
glaubten. In Folge dessen hat jenes österreichische Truppencorps, welches Holstein 
besetzt gehalten, unser Land durchzogen ohne Aufenthalt und auf dem kürzesten Weg, 
um sich nach dem Süden Deutschlands zu begeben. Um dieselbe Zeit haben wir 
dem preußischen Armeecorps, welches unter Befehl des Generallieutenants v. Man- 
teufsel stand, gestättet, unser Gebiet zu passiren, um nach Minden zu gelangen. 
Unser Verhalten hat unter diesen Umständen den Grundsätzen der strengsten Neu- 
tralität entsprochen. Wir waren weit entfernt damals zu gewärtigen, daß der König 
von Preußen wenige Tage später dasselbe Armeecorps dazu benützen werde, um sich 
unseres Landes zu bemächtigen. Unfere Armee befand sich auf dem vollständigen Friedens- 
fuß, da wir uns auf die uns zugesicherte Neutralität verließen und deren Negociationen, 
obwohl vertagt, doch wieder zu gelegener Zeit aufgenommen werden sollten, nämlich 
in Betreff der speciellen Bedingungen ihrer Ausführung, den ausdrücklichen und 
wiederholten Erklärungen gemäß, welche unser Minister des Auswärtigen, Graf 
Platen-Hallermund, in dieser Angelegenheit dem preußischen Minister Prinzen Bsen-- 
burg gemacht hatte. Unsere Regierung hatte daher keine Pferde aufkaufen lassen, 
noch hatte sie die geringste Maßregel getroffen, welcher man den Charakter einer 
militärischen Rüstung beilegen konnte. Alles, was die preußischen Blätier seit 
kurzem über die angeblichen Rüstungen in Hannover mitgetheilt haben, ist durchaus 
unbegründet und hat nur dazu dienen sollen, die öffentliche Meinung irrezuführen 
und jene ungqualifitirbaten Gewallacte zu enischuldigen, welche gegen uns, unser 
Königreich und unsere Unterthanen verübt woxden. Stets von demselben Geist der 
Mäßigung, der Versöhnlichkeit und Unparteilichkeit beseelt, haben wir unserem Bundes- 
gesandten den Auftrag ertheilt, sich gegen die österreichische Proposition vom 14. Juni 
auszusprechen, insoweit diese den Zweck hatte, den deutschen Bund gegen Preußen 
Partei nehmen zu lassen und nur insoweit für die beantragte Mobilmachung zu 
stimmen, als diese nicht gegen die letztere Macht gerichtet war und lediglich nur die 
Aufrechterhaltung der Ruhe und Sicherheit auf dem Bundesgebiet bezweckte. Die 
Ausführungen und Belege (les allégations), welche die preußischen Organe in 
jüngster Zeit gegen unsere dießbezügliche Politik vorbrachten, entbehren gleicher Weise 
jeder Begründung. Die Haltung, welche unsere Regierung seit Beginn des Con- 
flicts eingenommen, ließ uns daher hoffen, daß unser Königreich und unsere getreuen 
Unterthanen von einem Krieg unberührt bleiben dürfsten, der von Tag zu Tag 
drohender zu werden schien. . 
„Aber wie groß war unsere schmerzliche Ueberraschung, als das Berliner 
Cabinet am 15. Juni d. J. sich den Anschein gab, als hätte es alle Antecedentien
	        
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