Full text: Europäischer Geschichtskalender. Siebenter Jahrgang. 1866. (7)

Anhang. 295 
der Frage vergessen, und unserer Regierung eine Sommation vorlegen ließ, die 
keineswegs den Zweck hatte, uns zur definitiven und gegenseitigen Festsetzung der 
Bedingungen der Neutralität, die uns angeboten worden und die wir im Princip 
acceptirt hatten, aufzufordern, sondern uns zu bewegen, uns gewisser wesentlicher Prä- 
rogative unserer Souveränetät zu Gunsten Preußens, ferner eines Theils der Un- 
abhängigkeit unseres Königreichs und vieler legitimen Rechte unserer Unterthanen zu 
begeben, obwohl unsere Sonveränetät und die Unabhängigkeit unseres Königreichs 
von ganz Curopa anerkannt und garantirt worden waren! Man ließ uns nur 
einen Tag Bedenkzeit, um unsern Entschluß zu fassen, und man bedrohte uns mit 
Krieg für den Fall, daß wir uns weigern sollten, uns dem Willen Preußens zu 
unterwersen. Nachdem wir unsere Minister vernommen, faßten wir auf ihren ein- 
müthigen und unserer eigenen Anschauungsweise entsprechenden Rath den Entschluß, 
dem Gesandten des Königs von Preußen erklären zu lassen, daß die Propofsitionen, 
die uns eben vorgelegt worden waren, unannehmbar seienz daß jedoch unsere Re- 
gierung, in der unerschütterlichen Ueberzeugung, daß das Bundesrecht jeden Krieg 
zwischen Bundesgliedern verbiete, keine militärische Matznahme ergreisen werde gegen- 
über der verbündeten preußischen Regierung, insolange die Grenzen Hannovers 
nicht angegriffen würden, und daß sie die Hoffnung nicht aufgebe, daß die freund- 
nachbarlichen Beziehungen, welche bis dahin zwischen den beiden Regierungen ber 
standen haben, auch fortan aufrecht erhalten blieben. Nachdem unser Entschluß dem 
Gesandten Preußens mitgetheilt worden, antwortete dieser mit einer Kriegserklärung, 
gegen welche unser Minister des Auswärtigen ünwerzüglich Protest einlegte. Dieß 
geschah um Mitternacht in der Nacht vom 15. auf den 16. Juni d. J. Fünf Uhr 
Nachmittags desselben Tages, nämlich des 15. Juni, befand sich das Armeccorps des 
Generals v. Manteussel in der Umgebung von Harburg und nahm daselbst eine 
seindliche Stellung noch vor der Kriegserklärung an. · » 
„Wir überweisen dem Urtheil aller Rechtschaffenen dieses Vorgehen der preu- 
ßhischen Regierung, welche unser Vertrauen täuschte, indem sie uns die Erlaubniß 
entlockte, ihre Truppen durch unser Gebiet marschieren zu lassen, mit der geheimen 
Absicht, dasselbe mit Gewalt an sich zu bringen. Wir überweisen dem Unwillen der 
clbilisirten Welt diesen Angriff, verüdt im vollen Frieden gegen das Land eines 
befreundeten, verwandten und verbündeten Fürsten, und wir sind überzeugt, daß die 
ganze Welt mit uns diese schmähliche Verletzung der öffentlichen Moral, des Völker- 
und Vertragsrechts und der Sitten der in siaatlicher Ordnung lebenden Nationen 
verdammen wird. Wir sind zugleich überzeugt, alle Unpartheiischen werden unsere 
Ansicht theilen, daß die preußische Regierung schon geraume Zeit den vorgefaßten 
und wohlbedachten Plan hegte, sich unseres Landes zu bemächtigen; daß der Vor- 
schlag, neutral zu bleiben, der uns gemacht wurde, nur den Zweck hatte, uns in 
falsche Sicherheit zu wiegen; daß das Berliner Cabinet uns absichtlich erniedrigende 
Allianzbedingungen stellte, wohl wissend, daß wir dieselben nicht annehmen könnten, 
und daß es uns schließlich — welche Haltung wir auch immer eingenommen hätten 
— sehr schwer, wenn nicht unmöglich geworden wäre, uns den Gewaltthätigkelten 
der preußischen Regierung zu entziehen. Bei der Unmöglichkeit, in der sich unsere 
Armee befand, der Invasion der preußischen Macht, welche in unser Land — dessen 
Eränzen sie seit mehreren Tagen besetzt gehalten — von allen Seiten hereinbrach, 
nachdrücklichen Widerstand zu leisten, zogen wir unsere Truppen bei Göttingen zu- 
sammen, um sie unverzüglich dem preußischen Machtbereich zu entrücken. In der 
Nähe von Eisenach angelangt, traten wir in Unterhandlung wegen einer Waffenruhe, 
die uns angeboten und dann von btriden Theilen verabredet worden war. Allein 
ehe dieselbe noch abgelaufen war, sahen sich unsere Truppen von der preußischen 
Armee angegriffen in Folge eines Befehls, welchen diese vom General Vogel v. Falcken- 
flein erhalten hatte. 3"6 war dieß eine zweite flagrante Verletzung aller Rechte und 
Gebräuche, welche bei civilisirten Völkern bestehen. Obwohl sich unsere Armee auf 
dem Friedenssuß befand und ihre Kräfte in Folge von Strapazen, Entbehrungen und 
sorcirten Märschen, denen sie sich während mehr als acht Tagen unterziehen mußte, 
sehr erschöpft waren, errang sie dennoch bei Langensalza einen glänzenden Sieg über
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.