Full text: Europäischer Geschichtskalender. Siebenter Jahrgang. 1866. (7)

454 Ergänjung. 
Borbereitung der Arbeiten ohne den Reichslag, letzterer aber nicht ohne den Bundes- 
rath berufen werden. Art. 14. Die Berufung des Bundesraths muß ersolgen, seo- 
bald sie von einem Drittel der Stimmenzahl verlangt wird. Art. 15. Der Vor- 
sitz im Bundesrath und die Leitung der Geschäfte steht dem Bun- 
deskanzler zu, welcher vom Präsidium zu ernennen ist. Derselbe 
kann sich durch jedes andere Mitglicd des Bundesraths vermäöge schriftlicher Sub- 
stitution vertreten lassen. Art. 16. Das Präsidium hat die erforderlichen Vorlagen 
nach Maßgabe der Beschlüsse des Bundesraths an den Reichstag zu bringen, wo sie 
durch Mitglieder des Bundesraths oder durch besondere von letzterm zu ernennende 
Commissarien vertreten werden. Art. 17. Dem Präsidium steht die Ausfertigung 
und Verkündigung der Bundesgesetze und die Ueberwachung der Ausführung der- 
selben zu. Die Anordnungen und Verfügungen des Bundespräsidii 
werden im Namen des Bundes erlassen, und bedürfen zu ihrer 
Gültigkeit der Gegenzeichnung des Bundeskanzlers, welcher da- 
durch die Verantwortlichkeit übernimmt. Art. 18. Das Präsidium ernennt 
die Bundesbeamten, hat dieselben für den Bund zu vereidigen und erforderlichen 
Falls ihre Entlassung zu verfügen. Art. 19. Wenn Bundesglieder ihre verfassungs- 
mäßigen Bundespflichten nicht ersüllen, so können sie dazu im Wege der Execulion 
angehalten werden. Diese Execution ist a) in Betreff militärischer Leistungen, wenn 
Gefahr im Verzuge, von dem Bundesfeldherrn anzuordnen und zu vollziehen, b) in 
allen andern Fällen aber von dem Vundesrath zu beschließen und von dem Bundes- 
feldherrn zu vollstrecken. Die Execution kann bis zur Segquestration des betreffenden 
Landes und seiner Regierungsgewalt ausgedehnt werden. In den unter a bezeich- 
neten Fällen ist dem Bundesrath von Anordnung der Execution, unter Darlegung 
der Beweggründe, ungesäumt Kenntniß zu geben. 
V. Reichstag. Art. 20. Der Reichstag geht aus allgemeinen und directen 
Wahlen mit geheimer Abstimmung hervor, welche bis zum Erlaß eines Reichs- 
wahlgesetzes nach Maßgabe des Gesetzes zu erfolgen haben, auf Grund dessen der 
erste Reichstag des norddeutschen Bundes gewählt worden ist. Art. 21. Beamte 
bedürfen keines Urlaubs zum Eintritt in den Reichstag. Wenn 
ein Mitglied des Reichstages in dem Bunde oder einem Bundes: 
staate ein besoldetes Staatsamt annimmt oder im Bundes= oder 
Staatsdienste in ein Amt eintritt, mit welchem ein höherer Rang 
oder ein höherer Gehalt verbunden ist, so verliert es Sitz und 
Stimme in dem Reichstage und kann seine Stelle in demselben 
nur durch neue Wahl wieder erlangen. Art. 22. Die Verhandlungen des 
Reichstags sind öffentlich. Wayrheitsgetreue Berichte über Verhand- 
lungen in den öffentlichen Sitzungen des Reichstages bleiben von 
jeder Verantwortlichkeit frei. Art. 23. Der Reichstag hat das Recht. innerhalb 
der Competenz des Bundes Gesetze vorzuschlagen und an ihn gerichtete Peti- 
tionen dem Bundesrathe, resp. Bundeskanzler, zu überweisen. Art. 
24. Die Legislaturperiode des Reichstags dauert drei Jahre. Zur Auflösung des Reichslazes 
während derselben ist ein Beschluß des Bundesraths unter Zustimmung des Präsidiums 
erforderlich. Art. 25. Im Falle der Auflösung des Reichstages müssen 
in nerhalb eines Zeitraumes von 60 Tagen nach derselben die 
Wähler und innerhalb eines Zeitraumes von 90 Tagen nach der 
Auflösung der Reichstag versammelt werden. Art. 26. Ohne Zu- 
stimmung des Reichstages darf die Vertagung desselben die Frist 
von 30 Tagen nicht übersteigen und während derselben Session 
nicht wiederholt werden. Art. 27. Der Reichstag prüft die Legitimatien 
seiner Mitglieder und entscheidet darüber. Er regelt seinen Geschäftsgang und seine 
Disciplin durch eine Geschäftsordnung und erwählt seinen Präsidenten, seine Vice- 
präsidenten und Schriftführer. Art. 28. Der Reichstag beschließt nach aksoluter 
Stimmenmehrheit. Zur Gültigkeit der Beschlußfassung ist die Anwesenheit der Mehr- 
heit der gesetzlichen Anzahl der Mitglieder erforderlich. Art. 29. Die Mit- 
glieder des Reichstages sind Vertreter des gesammten Volkes und an Aufträge und
	        
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