Deutschland. 83
an die Stelle dieses Provisoriums wieder den früheren Zustand setzen will
und zu diesem Zwecke seine Truppen in Holstein einrücken läßt, vollzieht es
seinerseits auch thatsächlich den Bruch der Gasteiner Convention und unser
Protest gründet sich daher drittens darauf, daß Preußen zur Selbsthilfe ge-
schritten ist unb durch die Besetzung Holsteins nicht nur sein Vertragsver-
hältniß gegenüber Oesterreich, sondern auch den Art. 11 der deutschen Bun-
desacte verletzt und den Fall des Art. 19 der Wiener Schlußacte herbei-
geführt hat.“
9. Juni. (Hannover). Die I. Kammer verwirft den Beschluß der
II. Kammer v. 6. d. M. und beharrt auf ihrem eigenen v. 4. d. M.
„ „„ (Baden). Die II. Kammer nimmt nach achttägigen Debatten
das Ministerverantwortlichkeitsgesetz mit allen gegen 4 Stimmen an.
10. „ (Preußen). Circulardepesche an die deutschen Regierungen und
Grundzüge einer neuen Bundesverfassung als Vorschlag Preußens:
„Unser Antrag am Bunde v. 9. April d. J. auf Berufung eines Parlaments
zum Zweck der Bundesreform hat trotz der Mahnung, welche im Ernst der
Verhältnisse lag, den von uns im Interesse des Friedens dringend gewünschten
Erfolg nicht gehabt. Der bisherige Gang der Verhandlungen läßt vielmehr
kaum hoffen, daß im Neunerausschusse, in welchem wir den Inhakt unserer
Resformvorschläge angedeutet haben, der Antrag noch eine rechtzeitige Erle-
digung finden werde. Wir wenden uns daher nunmehr unmittelbar an un-
sere Bundesgenossen und legen ihnen die Grundzüge zu einer neuen Bundes-
verfassung mit der Bitte vor, sie einer sorgfältigen Erwägung unterziehen
und sich zugleich über die Frage schlüssig machen zu wollen, ob sie eventuell,
wenn in der Zwischenzeit bei der drohenden Kriegsgefahr die bisherigen Bun-
desverhältnisse sich lösen sollten, einem auf der Basis dieser Modiftcationen
des alten Bundesvertrages neu zu errichtenden Bunde beizutreten bereit sein
würden.“
Preußischer Bundesentwurf: Artikel I. Das Bundesgebiet besteht
aus denjenigen Staaten, welche bisher dem Bunde angehört haben, mit Aus-
nahme der kaiserlich österreichischen und königlich niederländischen Landestheile.
Artikel II. Die gesetzgebende Gewalt des Bundes wird auf denjenigen
Gebieten, welche derselben zugewiesen sind, von dem Bundestage in Gemein-
schaft mit einer periodisch zu berufenden National-Vertretung ausgeübt. Zur
Gültigkeit der Beschlüsse ist die Uebereinstimmung der Mehrheit des Bundes-
tages mit der Mehrheit der Volksvertretung erforderlich und ausreichend.
Artikel III. Die Umgestaltung des Bundestages ist unter den Bundes-
regierungen und mit dem nach dem preußischen Antrage vom 9. April zu
berufenden Parlamente zu vereinbaren. So lange bis dies geschehen sein
wird, bleibt das Stimmrerhältniß, welches für die Mitglieder des Bundes
auf dem bisherigen Bundestage gültig war, in Kraft.
Artikel IV. Die National-Vertretung geht aus directen Wahlen hervor,
welche nach den Bestimmungen des Reichswahlgesetzes vom 12. April 1849
vorzunehmen sind. «
Artikel V. Die Bundesstaaten bilden ein gemeinsames und einheitliches
Zoll- und Händelsgebiet, in welchem die Errichtung von Freihäfen vorbe-
halten bleibt. «
Artikel V. enthält die bekannten 11 Punkte der Bundescompetenz, wie
sie schon früher veröffentlicht sind. «
Artikel VII. Die Bundesgewalt hat das Recht Krieg zu erklären und
Frieden, so wie Bündnisse und Verträge zu schließen, in völkerrechtlicher
Bertretung des Bundes Gesandte zu ernennen und zu empfangen. Die
Kriegserklärung hat bei feindlicher Invasion des Bundesgebietes oder bei krie-
gerischem Angriff auf dessen Küsten unter allen Umständen zu erfolgen, in
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