Deutschland. 87
ungeachtet die Gasteiner Convention die Ausübung aller Souveränetäterechte,
die Verwaltung und militärische Besetzung Holsteins, mit Ausnahme einiger
namhaft gemachter Punkte, in die Hände Sr. Maj. des Kaisers von Oester-
reich gelegt hat, haben die preußischen Truppen die Grenze Holsteins über-
schritten und sich über das ganze Land verbreitet. Der Präsidialgesandte ist
beauftragt worden, der hohen Bundesversammlung von diesem Vorgehen An-
zeige zu erstatten. Die kais. Regierung muß dasselbe als einen Bruch der
Gasteiner Uebereinkunst bezeichnen, welche einen provisorischen Zustand ver-
tragsmäßig festgesetzt hatte, den bis zur definitiven Entscheidung des Bundes
über Holstein fortdauern zu lassen Oesterreich bereit war. Frhr. v. Manteuffel
hat seitdem erklärt: er sei genöthigt, die Regierungsgewalt auch in Holstein
an sich zu nehmen; hierin liegt eine Verletzung des Wiener Friedensvertrags.
Se. Maj. der Kaiser hat durch allerhöchstseinen Gesandten in Berlin am
31. März erklären lassen, daß er sich nicht in Widerspruch mit den Bestim-
mungen der Bundesacte setzen werde. Der Präsidialgesandte hat im aller-
höchsten Auftrage dieselbe Erklärung im Kreise dieser hohen Versammlung
abgegeben. Dieser Zusicherung ist Se. Maj. der Kaiser treugeblieben. Preu-
ßen aber hat zum Schutze vermeintlich verletzter Rechte den Weg der Selbst-
hilfe betreten. Es liegt demnach der im Art. XIX der Wiener Schlußacte
vorgesehene Fall vor, und die Bundesversammlung ist berufen, der unter-
nommenen Selbsthilfe Einhalt zu thun. Nach diesem gewaltthätigen Vor-
gehen, bei welchem Preußens umfangreiche Rüstungen zur Seite stehen, kann
nur in Aufbietung aller übrigen verfügbaren militärischen Kräfte des Bundes
eine Gewähr des Schutzes für die innere Sicherheit Deutschlands und die
bedrohten Rechte seiner Bundesglieder gefunden werden. Die kais. Regierung
erachtet die schleunige Mobilmachung sämmtlicher nicht zur preußischen Armee
gehöriger Armeecorps des Bundesheeres für nothwendig. Bedürfte diese Maß-
regel noch weiterer Begründung, so findet sie dieselbe in der Haltung der k.
preuß. Regierung gegenüber den Beschlüssen, welche in letzter Zeit und bei
stets steigender Gefahr von der Bundesversammlung zur Wahrung des Bun-
deefriedens gefaßt worden sind. Dem aus Anlaß der Bedrohung Sachsens
gesaßten Beschlusse vom 9. Mai: „die k. preuß. Reglerung anzugehen, daß
durch geeignete Erklärung dem Bunde mit Rücksicht auf Art. XI der Bun-
desacte volle Beruhigung gewährt werde“, hat die k. preuß. Regierung nicht
entsprochen. Die Antwort Preußens auf den Beschluß vom 24. Mai kann
nicht für befriedigend erkannt werden, da es die in jenem Beschlusse in Aus-
sicht genommene gleichzeitige Abrüstung abgelehnt hat. Bei beiden Anlässen
hat die k. preuß. Regierung, sich zum Richter über den deutschen Bund auf-
werfend, ihr Verhältniß zu diesem Staatenbunde und ihre weiteren Entschlie-
ßungen davon abhängig erklärt, daß derselbe Preußens Forderungen erfüllen
wolle und könne. Aus allen diesen Gründen erscheint der kais. Regierung
für die hohe Bundesversammlung die unvermeidliche Nothwendigkeit heran-
getreten, diejenigen dringlichen Maßregeln zu ergreifen, welche sie in die Lage
setzen, die ihr obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, und beantragt daher:
Hohe Bundesversammlung wolle vorbehaltlich weiterer Entschließungen den
Beschluß fassen: 1) Die Mobilmachung des I., II., III., VII., VIII., IX. u.
X. Bundesarmeecorps anzuordnen und an die betreffenden höchsten und ho-
hen Regierungen das Ersuchen zu stellen, ihre Bundescontingente nach der
angenommenen Kriegsformation in der Stärke des Hauxt= und Reservecon-
tingentes ungesäumt auf den Kriegsstand zu setzen und selbes in den inne-
habenden oder einzunehmenden Standquartieren binnen 14 Tagen derart
marsch= und schlagfertig aufzustellen, daß es auf ergehende Aufforderung
innerhalb 24 Stunden mit allem Kriegsbedarf abmarschiren könne. 2) Die-
selben höchsten und hohen Regicrungen serner zu ersuchen, auf die Bildung
der Ersatzcontigente Bedacht zu nehmen. 3) Dieselben höchsten und
ohen Regierungen zu ersuchen, in möglichst kurzer Frist, jedenfalls
innerhalb der nächsten 14 Tage, bei der Bundesversammlung den Vollzug