Prtußen und der norddeulsche Vund. 97
gen“ des Ministers Rouher liefern einen Commentar über den weitern Verlauf.
Von der Zeit an hat Frankreich nicht aufgehört, uns durch Anerbietungen
auf Kosten Deutschlands und Belgiens in Versuchung zu führen. Die Un—
möglichkeit, auf irgend welche Anerbietungen der Art einzugehen, war für
mich niemals zweifelhaft, wohl aber hielt ich es im Interesse des Friedens
für nützlich, den franz. Staatsmännern die ihnen eigenthümlichen Illusionen
so lange zu belassen, als dieses, ohne ihnen irgend welche auch nur mündliche
Zusage zu machen, möglich sein würde. Ich vermuthete, daß die Vernich-
tung jeder französischen Hoffnung den Frieden, den zu erhalten
Deutschlands und Europa's Interesse war, gefährden würde. Ich war nicht
der Meinung derjenigen Politiker, welche dazu riethen, dem Koiege mit Frankreich
deshalb nicht nach Kräften vorzubeugen, weil er doch unvermeidlich sei. So sicher
durchschaut Niemand die Absichten göttlicher Vorsehung bezüglich der Zukunft,
und ich betrachte auch einen siegreichen Krieg an sich immer als ein Uebel, welches
die Staatskunst den Völkern zu ersparen bemüht sein muß. Ich durfte nicht
ohne die Möglichkeit rechnen, daß in Frankreichs Verfassung und Politik Ver-
änderungen eintreten könnten, welche beide große Nachbarvölker über die Noth-
wendigkeit eines Krieges hinweggeführt hätten — eine Hoffnung, welcher jeder
Aufschub des Bruches zu Gute kam. Aus diesem Grunde schwieg ich über
die gemachten Zumuthungen und verhandelte dilatorisch über dieselben, ohne
meinerseits jemals auch nurein Versprechen zumachen. Nachdem
die Verhandlungen mit Sr. Maj. dem Könige der Niederlande über den Ankauf
von Luxemburg in bekannter Weise gescheitert war, wiederholten sich mir gegenüber
die erweiterten Vorschläge Frankreichs, welche Belgien und Süddeutschland um-
faßten. In diese Conjunctur fällt die Mittheilung des Benedetti'schen Manu-
seripts. Daß der französische Botschafter ohne Genehmigung seines Souveräns
mit eigener Hand diese Vorschläge formulirt, sie mir überreicht und mit mir
wiederholt und unter Modificirung von Textstellen, die ich monirte, verhandelt
haben sollte, ist ebenso unwahrscheinlich, wie bei einer anderen Gelegenheit die
Behauptung war; daß der Kaiser Napoleon der Forderung der Abtretung
von Mainz nicht beigestimmt habe, welche mir im August 1866 unter An-
drohung des Krieges im Falle der Weigerung durch den käaiserl. Botschafter
amtlich gestellt wurde. Die verschiedenen Phasen französischer Verstimmung
und Kriegslust, welche wir von 1866 bis 1869 durchgemacht haben, coinci-
dirten ziemlich genau mit der Neigung oder Abneigung, welche die französi-
schen Agenten bei mir für Verhandlungen der Art zu finden glaubten. Zur
Zeit der Vorbereitung der belgischen Eisenbahnhändel im März 1868 wurde
mir von einer hochstehenden Person, welche den früheren Unterhandlungen nicht
fremd war, mit Bezugnahme auf letztere angedeutet, daß für den Fall einer
franz. Occupation Belgiens nous trouverions bien notre Belgique ailleurs.
Gleicher Weise wurde mir bei früheren Gelegenheiten zu erwägen gegeben, daß
Frankreich bei einer Lösung der orientalischen Frage seine Betheiligung nicht
im fernen Osten, sondern nur unmittelbar an seiner Grenze suchen könne. Ich
habe den Eindruck, daß nur die definitive Ueberzeugung, es sei mit uns keine
Grenzerweiterung Frankreichs zu erreichen, den Kaiser zu dem Entschlusse ge-
führt hat, eine solche gegen uns zu erstreben. Ich habe sogar Grund, zu
glauben, daß, wenn die fragliche Veröffentlichung unterblieben wäre, nach Voll-
endung der französischen und unserer Rüstungen uns von Frankreich das An-
erbieten gemacht sein würde, gemeinsam an der Spitze einer Million gerüsteter
Streiter dem bisher unbewaffneten Europa gegenüber die uns früher gemachten
Vorschläge durchzuführen, d. h. vor oder nach der ersten Schlacht Frieden zu
schließen auf Grund der Benedetti'schen Vorschläge, auf Kosten Belgiens. Ueber
den Text dieser Vorschläge bemerke ich noch, daß der in unseren Händen be-
findliche Entwurf von Anfang bis zu Ende von der Hand des Grafen Bene-
detti und auf dem Papier der kaiserl. französischen Botschaft geschrieben ist,
und daß die hiesigen Botschafter resp. Gesandten von Oesterreich, Großbritannien,
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