124 Preusien und der norddeutsche Pund.
weigern, gegen ihre Ueberzeugung sich dem Unfehlbarkeitsdogma zu
unterwerfen.
23. Nov. (Nordd. Bund). Die Unterhandlungen zu Versailles mit den
Bevollmächtigten Bayerns betr. Abschluß eines Verfassungsvertragcs
gelangen doch noch zum Abschluß. Der Vertrag wird unterzeichnet
(s. Anhang Actenstück 5).
24. „ (Der Krieg). Die Festung Thionville capitulirtk.
„ „ Der Pfarrer von Unkel, Dr. Tangermann, einer der angesehen-
sten Pfarrer der preuß. Rheinprovinz, der die Anerkennung der
päpstlichen Unfehlbarkeit durch schriftlichen Nevers verweigert hat,
wird vom Erzbischof von Köln abgesetzt und ihm anbefohlen, das
Pfarrhaus zu Unkel in kürzester Frist zu verlassen.
„ „ (Nordd. Bund). Eröffnung des Reichstags. Der Präsident des
Bundeskanzleramtes v. Delbrück verliest die Thronrede des Königs
von Preußen:
„Es würde Sr. Majestät zu hoher Befriedigung gereicht haben, heute in
Ihrer Mitte zu sein, um an dieser Stelle Gott für die Erfolge zu danken,
mit welchen die Waffen der deutschen Heere gesegnet worden sind, und um
Ihnen auszusprechen, welchen Antheil die nationale Haltung und die Ein-
müthigkeit des Reichstages bei Bereitstellung der zur Führung des Krieges
erforderlichen Mittel an diesen Erfolgen gehabt haben. Durch die in der
Kriegsgeschichte beispiellosen Siege, welche nach Gottes Willen die heldenmüthige
Tapferkeit und die einsichtige Führung der deutschen Heere erfochten haben, ist
der Angriff, den Frankreich im Juli auf Deutschland unternahm, zurückgewor-
sen worden. Das französische Volk muß die Ueberzeugung gewonnen haben,
daß seine jetzige Kriegsmacht, nach der Vernichtung der gegen uns aufgestellten
Heere, der geeinten Wehrkraft Deutschlands nicht gewachsen ist. Wir könnten
daher den Abschluß des Friedens als gesichert betrachten, wenn unser unglück-
liches Nachbarland eine Regierung hätte, deren Träger ihre eigene Zukunft
als untrennbar von der ihres Landes betrachteten. Eine solche Regierung
würde jede Gelegenheit ergriffen haben, die Nation, an deren Spitze sie sich
aus eigener Machtvollkommenheit gestellt hat, zur Wahl einer Volksvertretung
und durch diese zur Aussprache über die Gegenwart und Zukunft des Landes
in den Stand zu setzen. Aber die Actenstücke, welche Ihnen, m. H., von dem
Präsidium des Bundes vorgelegt werden sollen, werden Ihnen den Beweis
liefern, daß die jetzigen Machthaber in Frankreich es vorziehen, die Kräfte
einer edlen Nation einem aussichtslosen Kampfe zu opfern. Die unverhältniß-
mäßige Erschöpfung und Zerrüttung, welche für Frankreich die Folgen der
Fortsetzung dieses Kampfes unter den gegenwärtigen Umständen sind, müssen
zwar die Kraft des Landes in dem Maße schwächen, daß dasselbe zu seiner
Erholung längerer Zeit bedürfen würde, als bei einem regelmäßigen Verlaufe
des Krieges der Fall gewesen wäre. Die verbündeten Regierungen haben aber
mit Bedauern der Ueberzeugung Ausdruck zu geben, daß der Friede zwischen
den beiden großen Nachbarvölkern, auf dessen ungetrübte Dauer sie noch vor
weniger als einem halben Jahre zählten, durch die Erinnerungen, welche die
Eindrücke dieses Krieges in Frankreich hinterlassen werden, nur um so sicherer
gefährdet sein wird von dem Augenblicke an, wo Frankreich durch die Er-
neuerung der eigenen Kraft oder durch Bündnisse mit anderen Mächten sich stark
genug fühlen wird, den Kampf wieder aufzunehmen. Die Bedingungen,
unter welchen die verbündeten Regierungen zum Frieden bereit sein würden,
sind in der Oeffentlichkeit besprochen worden. Sie müssen zu der Größe der
Opfer, welche dieser ohne jeglichen Grund, aber mit der Zustimmung der ge-