Full text: Europäischer Geschichtskalender. Elfter Jahrgang. 1870. (11)

Preußen und der norddeutsche Vund. 129 
„Die von Preußens Heldenkönige siegreich geführten deutschen Stämme, in 
Sprache und Sitte, Wissenschaft und Kunst seit Jahrhunderten vereint, feiern 
nunmehr auch eine Waffenbrüderschaft, welche von der Machtstellung eines ge- 
einigten Deutschlands glänzendes Zeugniß gibt. Beseelt von dem Streben, an 
dieser werdenden Einigung Deutschlands nach Kräften mitzuwirken, habe ich 
nicht gesäumt, deßhalb mit dem Bundeskanzleramte des norddeutschen Bundes 
in Verhandlungen zu treten. Dieselben sind jüngst in Versailles zum Ab- 
schlusse gediehen. Nach dem Beitritte Süddeutschlands zum deutschen Verfas- 
sungsbündnisse werden die Sr. Maj. dem Könige von Preußen übertragenen 
Präsidialrechte über alle deutschen Staaten sich erstrecken. Ich habe mich zu 
deren Vereinigung in Einer Hand in der Ueberzeugung bereit erklärt, daß da- 
durch den Gesammtinleressen des deutschen Vaterlandes und seiner verbündeten 
Fürsten entsprochen werde, zugleich aber in dem Vertrauen, daß die dem Bun- 
despräsidium nach der Verfassung zustehenden Rechte durch Wiederherstellung 
eines deutschen Reiches und der deutschen Kaiserwürde als Rechte bezeichnet wer- 
den, welche Se. Majestät der König von Preußen im Namen des gesammten 
deutschen Vaterlandes auf Grund der Einigung seiner Fürsten ausübt. In 
Würdigung der Wichtigkeit dieser Sache wende ich mich nun an Euere k.# 
mit dem Vorschlage, in Gemeinschaft mit mir bei Sr. Maj. dem Könige von 
Preußen in Anregung zu bringen, daß die Ausübung der Bundespräsidial- 
rechte mit Führung des Titels eines „deutschen Kaisers“ verbunden werde. 
Es ist mir ein erhebender Gedanke, daß ich mich durch meine Stellung in 
Deutschland und durch die Geschichte meines Landes berufen fühlen kann, zur 
Krönung des deutschen Einigungswerkes den ersten Schritt zu thun, und gebe 
ich mich der freudigen Hoffnung hin, daß Euerek. .. meinem Vorgehen Ihre 
freundliche Zustimmung ertheilen werden.“ 
4. Dec. (Sachsen). Die Regierung verbietet durch Telegramme die 
Verlesung eines Hirtenbriefs des Bischofs Forwerk, welcher in allzu 
starken Ausdrücken den Katholiken die wichtigsten Theile der En— 
cyclica des Papstes mittheilen sollte, durch welche derselbe gegen 
die „räuberische“ Wegnahme seiner Länder protestirt und den großen 
Bann über den König von Italien und dessen „Helfer“ ausspricht. 
5. „ (LDer Krieg). General v. Manteuffel besetzt Rouen. 
„ — 6. Dec. (Nordd. Bund). Reichstag: Erste Debatte über die Ver- 
träge mit den süddeutschen Staaten. Die Fortschrittspartei stellt den 
präjudiciellen Antrag: 
„Der Reichstag wolle beschließen, die verbündeten Regierungen aufzufordern, 
diejenigen Schritte zu thun, welche den süddeutschen Regierungen und verfas- 
sungsmäßig dem Reichstag des norddeutschen Bundes gegenüber erforderlich 
sind, um die deutsche Verfassung einem nach den Wahlgesetzen zum Zollparla- 
ment gewählten gemeinsamen Reichstag zur Verein barung mit den deut- 
schen Regierungen vorzulegen."“ 
Präsident des Bundeskanzleramtes v. Delbrück: „Sehr viel rascher, 
als es bei Berathung der Verfassung gehofft werden konnte, rascher, als es 
selbst die lebhaftesten Anhänger der deutschen Einheitsidee zu erwarten wagten, 
hat ein großes weltgeschichtliches Ereigniß sämmtliche deutsche Stämme mit 
dem Bewußtsein erfüllt, daß die Zeit gekommen sei für die volle staatliche Ver- 
einigung aller Theile Deutschlands, und die sämmtlichen süddeutschen Regie- 
rungen bestimmt, mit dem norddeutschen Bunde zur Begründung eines deut- 
schen Bundes zusammenzutreten. Erlauben Sie mir, mit einigen Worten den 
äußeren Hergang darzustellen, aus welchem sich die Ihnen vorliegenden 
Verträge entwickelt haben. Die Initiative kam von Bayern. Die k. bayer, 
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