Full text: Europäischer Geschichtskalender. Elfter Jahrgang. 1870. (11)

Preußen und der norddeutsche Vund. 133 
deßhalb, weil das Kriegsdienstgesetz — also von den gesetzlichen Bestimmungen, 
die neben der Verfassung über die Militärverhältnisse bestehen, das wichtigste 
— in Württemberg, Baden und Hessen durch die Verfassung selbst eingeführt 
wird und in Bayern in jedem Augenblicke im Wege der Gesetzgebung einge- 
führt werden kann, und ich bemerke dabei, daß das bayerische Kriegsdienstgesetz 
mit dem norddeutschen im Wesentlichen schon jetzt übereinstimmt. Es gilt das 
letztere auch von dem seit Erlaß der Bundesverfassung zu Stande gekommenen 
Gesetze über die Einquartierung im Frieden. Das Militärstrafrecht konnte in der 
That in den süddeutschen Staaten jetzt nicht eingeführt werden. Dem Reichs- 
tage ist in Erinnerung, daß bereits in der letzten ordentlichen Session zu- 
gesagt ist und zugesagt werden mußte, daß dem nächsten Reichstage ein Mi- 
litär-Strafgesetzbuch vorgelegt werden würde, und zwar in naturnothwendiger 
Consequenz der Aenderungen des allgemeinen Strafrechtes. Es konnte nicht 
in der Aksicht liegen, den süddeutschen Staaten zuzumuthen, jetzt das preuß. 
Militär-Strafgesetzbuch einzuführen, mit dessen Aufhebung und Ersatz durch 
ein anderes Gesetz man eben umgeht. Damit hängt die Strafprozeßordnung 
zusammen, und ganz gleich liegt es mit dem Nayongesetze. Dem vorigen 
Neichstage ist schon eine Gesetzvorlage gemacht worden, welche damals nicht 
hat zur Berathung gelangen können; ich zweifle nicht daran, daß dem nächsten 
Reichstage eine gleichartige Vorlage gemacht werden wird. Hiemit, m. H., 
haben Sie aus der Enumeration der Gesetze, welche sich in den bezüglichen 
Verfassungsartikeln vorfinden, die wesentlichsten, und in dem, was ich zu be- 
merken die Ehre hatte, wie ich glaube, den Nachweis, daß es theils unbedenk- 
lich, theils nothwendig war, die Ausführung dieser Gesetze zu suspendiren. 
Es kommen nun noch andere Gesetze in Betracht, z. B. über Vorspann= und 
ähnliche Leistungen; es sind das Vorschriften, auf deren unbedingte Gleich- 
mäßigkeit, glaube ich, ein entscheidender Werth von keiner Seite gelegt wird, 
bei denen es im Wesentlichen zunächst nur darauf ankommt, daß Vorschriften 
bestehen. Eine erhebliche Abweichung von den Bestimmungen der Bundesver- 
fassung findet sich in dem Vertrage mit Bayern endlich darin, daß der Ober- 
befehl im Frieden nicht, wie es die Bundesverfassung will, dem Bundesfeld- 
herrn, sondern Sr. Mojestät dem Könige von Bayern zusteht. M. H.! Bei 
dieser Frage befindet man sich wieder vor realen Verhältnissen, vor denen man 
seine Augen nicht verschließen kamnn. Das Gewicht, welches ein größerer Staat 
an sich hat, zugleich aber auch die Fähigkeit, welche ein größerer Staat in Be- 
ziehung auf die tüchtige Erhaltung einer selbständigen Armee besitzt, haben 
dahin geführt, diese Abweichungen von der Bundesverfassung für zulässig zu 
crachten, eine Abweichung, die durch die im Uebrigen dem Bundesfeldherrn 
zustehenden Rechte ihre Begrenzung und, so weit nöthig, ihr Correctiv findet. 
Ich gehe nun über zureinigen mehr die inneren Verhältnisse betreffenden Ab- 
änderungen, die gleich den eben erwähnten die-Bedeutung einer Verstärkung des 
föderativen Elements haben. Es kann dahin zunächst gerechnet werden die neue 
Redaction des Art. 7 der Verfassung, in welcher die Attributionen des Bundes- 
raths zusammengefaßt sind. Ich sage, sie kann hieher gerechnet werden, denn diese 
Zusammenfassung von Bestimmungen, die wesentlich übereinstimmend sich an 
anderen Stellen der Bundesverfassung finden, hat eine ins Gewicht fallende 
materielle Bedeutung nicht. Es wurde Werth gelegt auf diese Zusammenfas- 
sung, um an Einem Orte klar zu stellen die eigentlichen Zuständigkeiten des 
Bundesraths, deren Ergründung aus der Bundesverfassung selbst nicht ohne 
ein gewisses Studium möglich war. Eine materielle Aenderung des Bestehenden 
ist damit kaum herbeigeführt. Es gehört ferner hieher die Schaffung eines neuen 
Ausschusses für die auswärtigen Angelegenheiten. Je weiter sich 
der Bund ausdehnt und je mehr größere Staaten ihm beitreten, desto mehr tritt 
das sachliche Bedürfniß hervor, daß nicht bloß, wie es bisher vielfach geschehen 
ist, durch gelegentliche Mittheilungen an die Gesandten und an die im Bundes- 
rath versammelten Vertreter der Bundesregierungen, sondern in einem formell
	        
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