136
#l?l)7,
Preußen und der norddeutsche Pund.
ligten Regierungen damit eiverstanden sind, — das Einführungsgesetz zum Straf-
gesetzbuche für den nordd. Bund, das Strafgesetzbuch für den nordd. Bund und
die Gewerbeordnung für den nordd. Bund gleichzeitig mit dem Eintritte der
Verfassung für Hessen als Bundesgesetz in Kraft treten zu lassen. Es würden
hiernach am Schlusse des Art. 80 diejenigen Veränderungen eintreten müssen, die
durch diese von der großh. Regierung gefaßte und von sämmtlichen übrigen bethei-
ligten Regierungen angenommene Aenderung nothwendig werden. Ich komme
nun auf die Stellung Bayerns zu dem Artikel. Ich kann auf das Bestimm-
teste constatiren, daß, wenn eine Anzahl von diesen Gesetzen in dem bayerischen
Vertrage nicht als sofort einzuführen bezeichncf sind, dies darauf beruht, daß
man mit Rücksicht auf die besondere Lage der Dinge in Bayern eine Vorbe-
reitung durch die Landesgesetzgebung bei einzelnen dieser Gesetze für nöthig
hielt. Man hat sich — und darüber hat gar kein Zweifel obgewaltet —
hinsichtlich aller dieser Gesetze in Bayern der Bundesgesetzgebung in Beziehung
auf den Einführungstermin unbedingt unterworfen; man hat aber Bedenken
getragen, ohne die Möglichkeit zu haben, eine legislative Vorbereitung in
Bayern selbst zu treffen, oder auch nur in gründliche Erwägung zu ziehen,
ob eine solche legislative Vorbereitung nicht zu entbehren sei — ich sage, man
hat Bedenken getragen, vorher eine große Reihe der hier in Rede stehenden Gesetze in
Bayern einzuführen. Aus dem Vertrage mit Bayern selbst ergibt sich, daß
diese Einführung nicht in Frage steht hinsichtlich des Wahlgesetzes für den
norddeutschen Bund. M. H.1 Ich glaube in der allgemeinen Discussion mich
auf diese Characterisirung der vorliegenden Verträge beschränken zu müsssen.
Ich wiederhole: sie sind erwachsen auf dem Boden der Thatsachen, sie sind zu
Stande gekommen, indem man sich die realen Verhältnisse vergegenwärtigte.
Ich bitte, daß auch Sie, m. H., Sich bei Beurtheilung der Vorlage auf die-
sen Standpunkt stellen und sich vergegenwärtigen, daß es Deutschland schon
mehr als einmal nicht zum Segen gereicht hat, das Erreichbare dem Wün-
schenswerthen zu opfern.“
Trotz der ziemlich lebhaften Debatte namentlich gegen die Bayern gewährte
Ausnahmsstellung wird die Annahme der Verträge, die den Bedenken der
starken nationalliberalen Partei gegenüber lange entschieden zweifelhaft gewe-
sen, bereits vor dem Beginn der Debatte als gestchert betrachtet.
Ziemlich gelegentlich bringt der (frei-conservative) Abgeordnete
Friedenthal im Einverständniß mit der Regierung die Frage des
Kaisertitels zur Sprache, worauf Minister Delbrück das Schreiben
des Königs Ludwig von Bayern an den König von Preußen vor-
liest mit dem Beifügen, daß die in Versailles anwesenden deutschen
Fürsten ihre Zustimmung zu dem Vorschlage bereils ausgesprochen
hätten, und die Erklärungen der übrigen Souveräne und freien Städte
zu gewärtigen seien. Die Mittheilung wird von der Versammlung
ziemlich kühl ausgenommen und zunächst nicht weiter besprochen.
Der präjudicielle Antrag der Fortschrittspartei wird schließlich
gegen die Stimmen dieser Partei abgelehnt.
„ (Der Krieg). Der König von Preußen erläßt einen Tags-
befehl, der einen neuen Abschnitt des Krieges ankündigt und zur
Ausdauer ermahnt, bis ein ehrenvoller Friede erkämpft sein werde.
„ (Nordd. Bund). Ein Telegramm des Bundeskanzlers aus
Versailles tritt nachträglich entschieden für Annahme der Verträge
mit den süddeutschen Staaten ein und stellt seinen Rücktritt in Aus-
sicht für den Fall, daß sie vom Reichstag verworfen werden sollten.