Die füddeutschen Staaten. 159
Tags vorher hatte die Kammer der Abgeordneten mit allen gegen 11 Stim-
men beschlossen, daß die Entwicklung der deutschen Dinge von Bayern fortan
betrieben werden solle und müsse im engern Anschlusse an Preußen. Für
diesen Beschluß der zweiten Kammer ist am andern Tage Se. Durchlaucht
sehr energisch eingetreten, eingetreten im Sinne des engsten Anschlusses an
Preußen, im Sinne des unmittelbaren Eintritts in den zu gründenden Bund,
im Sinne des Verfassungsbündnisses, von dem nachmals viel die Rede war,
von dem auch ich noch des Weiteren reden werde. Se. Durchlaucht hat so-
dann geäußert: „Als ich vor siebzehn Jahren in der Sitzung vom 12. No-
vember 1849 der Neugestaltung Deutschlands im Sinne der damaligen Vor-
schläge Preußens, im Sinne eines engeren Anschlusses an Preußen, das Wort
redete, that ich es und mußte es thun unter der ausdrücklichen Anerkennung,
daß ich mich mit den Anschauungen des bayeriscke: Volkes im Widerspruch
befinde, ich habe mich damals der Anschauung der Majorität gefügt.“ Nun,
m. H., muß ich fragen, wie kann ich, wie muß ich die letzten Worte verste-
hen? Kann man mir einen Vorwurf daraus machen, wenn ich aus diesen
Worten den Schluß ziehe: also verlegt Se. Durchl. sich unter Umständen auf
die Kunst des Temporisirens, Se. Durchl. gibt nicht seine ursprüngliche Mei-
nung auf, aber als kluger Politiker stellt er sie zu Zeiten in den Hintergrund,
um sie wieder mehr hervortreten zu lassen, dann, wenn günstigere Umstände
kommen? Und hieran gleich knüpft sich für mich eine sehr ernste Frage.
Tritt nicht ein ähnliches Verhältniß hervor zwischen der Thronrede und der
Samstags-Erklärung des Hrn. Fürsten? Ist vielleicht dieser unlösbare Wider-
spruch — ich bemerke nochmals, m. H., ich fasse vor Allem den Erfolg bei-
der Erklärungen in's Auge — ist dieser unlösbare Widerspruch nicht vielleicht
dadurch zu erklären, daß Se. Durchl. in der Thronrede seine ursprüngliche
Meinung in den Hintergrund gestellt hat, und daß er sie in der Samstags-
Erklärung wieder in den Vordergrund stellt? Ich gehe nun zu den officiellen
Mittheilungen über, die in früheren Jahren von Sr. Durchlaucht in diesem
Hause gemacht worden sind, und komme vor Allem zu der Erklärung vom
19. Januar 1867. Am 14. Januar war der Antrag Adt's und Genossen
in die Kammer gelangt, welcher eine Adresse an Se. Maj. den König zu dem
Zwecke verlangte, damit die bayer. Staatsregierung bewogen werde, energischer
als bisher die Entwicklung der deutschen Dinge von Seite Bayerns im eng-
sten Anschlusse an Preußen und unter der Führung Preußens zu einem deut-
schen Parlamente und einer einheitlichen Centralgewalt zu betreiben. Diesem
Antrage kam Se. Durchlaucht zuvor durch die gedachte Erklärung vom
19. Januar. Wenn Sie sich erinnern, m. H., eine Debatte materieller Natur
durfte damals in diesem Hause gar nicht stattfinden; mir selbst wurde das
Wort abgeschnitten. In der Mittheilung vom 19. Januar nun kommt bereits
die Erklärung vor: der norddeutsche Bund bekunde eine so „entschiedene Hin-
neigung zum Einheitsstaat", daß der Hr. Fürst zum bedingungslosen Ein-
tritte nicht rathen könne. Diese Erklärung hat damals viel Aufsehen und
in unsern Kreisen sogar tröstliches Aussehen gemacht. Man hatte vergessen,
daß schon Monate vorher Graf Bismarck dasselbe gesagt hatte. Als nämlich
der jetzige Kanzler des norddeutschen Bundes von den böhmischen Blutfeldern
zurückgekehrt war und zum ersten Male in der Commissionssitzung der preu-
ßischen Kammer erschien, da erklärte er: man könne doch von einem Staate
wie Bayern nicht den Eintritt in den zu gründenden Bund unter denselben
Bedingungen fordern, wie von den kleinern norddeutschen Staaten. Er fügte
bei und machte den Herren sehr bemerklich: vorerst komme es vor Allem dar-
auf an, die „Macht des leitenden Staates“, die preußische Hausmacht zu ver-
stärken. Nebenbei gesagt, möchte ich die Herren Verfasser der Minoritätsadresse
bitten, in der nachfolgenden Debatte doch auch darauf einige Rücksicht zu neh-
men. Der Hr. Fürst fuhr dann in seiner Mittheilung vom 19. Jan. fort:
ver werde sich inzwischen jedem Schritte entgegenstellen, der die Erreichung des