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Die süddeutschen Staaten.
aber es thut mir leid, nebenbei bemerken zu müssen: allerdings, wenn es so
ginge, dann könnte sich in Bälde die Frage ergeben: ob es nicht am Geschei-
testen wäre, gewisse Ausgaben als überflüssig zu streichen. Ich mache Sie
aber nun darauf aufmerksam: während Se. Durchlaucht mit den von mir
ausführlich geschilderten Anschlußplänen an Preußen sich irug, war er doch
im Stande zu sagen: im Uebrigen würde die Verbindung den Charakter eines
„Staatenbundes“ tragen. Se. Durchlaucht brachte es über sich, daneben fort-
während zu sprechen von der „Selbständigkeit Bayerns“", von der „Unabhän-
gigkeit des Landes"“", von der „Integrität und Souveränetät der Krone Bayerns= ,
die in keiner Weise angetastet werden dürften. Wie erklären Sie sich diese
Widersprüche? Se. Durchlaucht hat uns in der Samstags-Erklärung gesagt,
man solle ihn eines doppelten Spieles nicht für fähig halten. Das will ich
wahrlich nicht; aber ich frage, ist das nicht ein Spiel mit Worten in den
wichtigsten und heiligsten Angelegenheiten unseres Landes? Das frage ich,
und ich erinnere neuerdings an das Verhältniß, in welches Se. Durchlaucht
die Thronrede zu seiner Samstags-Erklärung gesetzt hat. Das sind „That-
sachen", die man im Lande gar nicht einmal zu studiren braucht; der einfachste
Bauer kann das verstehen, wenn er hört, und liest: Dl.. Thronrede Sr. Moaj.
des Königs hat die Patrioten tief befriedigt, und die Samstagserklärung Sr.
Durchlaucht hat die entgegengesetzte Seite zu einem hellen „Bravo“ ausfgeru-
sen. Ich bitte Sie nun, nicht mehr zu fragen, wie ich denn das Mißtrauen
motiviren will, von dem ich sage, daß es im Lande herrsche. Sehen Sie, so
etwas kann unser Volk gar nicht begreifen. Ich darf gar nicht die Ausdrücke
gebrauchen, welche, wenn auch bloß im politischen Sinn gemeint und in keiner
Weise der persönlichen Ehre Sr. Durchlaucht nahe tretend, geeignet wären,
die Ansicht des Volkes über solche Widersprüche ganz genau wiederzugeben.
Ich sage Ihnen bloß einfach, wenn ich den Entwurf einer Adresse nach der
Samstagserklärung Sr. Durchl. geschrieben hätte, dann hätte mir Niemand
verargen können, wenn ich da hineingeschrieben hätte: „Wir leben in einer
gefährlichen Zeit, die treuen Gemüther in Bayern sind besorgt um die Exi-
stenz unseres Vaterlandes; die Verträge, die uns an Preußen binden, sind der
Deutung fähig; das Volk will einen Minister, der es nicht auch ist. Das
Volk will einen Minister, dessen Gesinnung es kennt, der immer einerlei Rede
führt, von welchem es weiß, wessen es sich unter allen Umständen von
ihm zu versehen, was es unter allen Umständen von ihm zu erwarten
hat.“. .. Die Zeitungen haben viel berichtet über die Verhandlungen,
welche Se. Durchlaucht angeknüpft hatte mit der Majorität des vorigen
kurzlebigen Landtags in der wohlmeinenden Absicht der Vermittlung und
um der Kammer zur Constituirung zu verhelfen. Von Seiten des Beauf-
tragten des Hrn. Fürsten fielen dabei merkwürdige Aeußerungen; diese Aeuße-
rungen sind auch in den Blättern der Gegenseite besprochen worden, und es
tauchte bereits das leise Wort „Verrath“ auf. In der „Abendzeitung“ habe
ich dieses Wörtlein selbst gelesen. Der Beauftragte Sr. Durchlaucht wurde
desavouirt. Allein Se. Durchlaucht hat sich in Berlin selbst ganz ähnlich ge-
äußert, wie sein Beauftragter sich hier uns gegenüber geäußert hat. Ich habe
dafür einen mittelbaren Zeugen in diesem Saale. Es ist überdies, was den
Kern dieser Aeußerungen betrifft, namentlich bezüglich der innern Politik, der-
selbe sogar in eine Circulardepesche eingetragen, welche Se. Durchlaucht, wenn
ich nicht irre, unter dem Datum des 29. Mai (1869) an die bayer. Gesandt-
schaften gerichtet hat. Die Aeußerung, welche ich meine, lautet ungefähr, wie
folgt: Man sehe die Stellung Sr. Durchlaucht zu dem Resultate der Mai-
wahl vielfach ganz falsch an. Diese Neuwahlen hätten nun den Ultramontanen
oder sog. Patrioten eine, wenn auch kleine, Majorität verschafft. Allein, was
wollten diese Leute? Sie perhorrescirten vor Allem jede weitere Concession
an Preußen, das thue Se. Durchlaucht auch. Zweitens: In der innern Po-
litik habe bis jetzt, und das ist namentlich auch in der Circulardepesche in