Die füddentschen Staaten. 211
fassungsentwurf für ganz Deutschland, in welchem die Bedingungen
erörtert werden, unter welchen Bayern dem norddeutschen Bunde
beitreten könnte.
Dem Entwurf wird vielfach ein officiöser Ursprung zugeschrieben. Die
öffentliche Meinung in Norddeutschland scheint vorerst wenig geneigt, auf
solche Bedingungen einzugehen, während sie den particularistischen und patrio-
tischen Organen der öffentlichen Meinung in Bayern bereits viel zu weit
gehen.
19. Sept. (Bayern). Das Gemeindecollegium von München (Magistrat
und Gemeindebevollmächtigte) beschließen mit allen gegen 6 Stim-
men, folgende Adresse an den König zu richten:
„Ew. Maj. wagen die ehrfurchtsvollst Unterzeichneten ihre Ueberzeugung
auszudrücken, daß die Nation als Erfolg ihrer ruhmvollen Waffengemeinschaft,
wie die äußere Sicherheit, so die endlich verfassungsmäßige Einigung Süd-
und Norddeutschlands erwartet. Da Bayern, als dem mächtigsten Staate im
Süden, voranzugehen gebührt, und im Vertrauen, daß die durch die Bedeu-
tung Bayerns und seine volkswirthschaftlichen Verhältnisse gebotenen Modifi-
cationen der Verfassung des norddeutschen Bundes allseitig Anerkennung finden
werden, richten an Ew. Maj. die Unterzeichneten die Bitte: Ew. Maj. möge
geruhen, durch Vereinbarung mit den verbündeten Staaten die Vollendung
des deutschen Bundesstaats auf Grundlage der Verfassung des der-
zeitigen norddeutschen Bundes als Abschluß des opferreichen natio-
nalen Kampfes herbeizuführen.“
Zugleich wird eine Agitation ins Werk gesetzt, um Anschluß-
adressen an diese oder ähnliche Manifestationen in allen Theilen des
Königreichs hervorzurufen.
21 —27. „ (Bayern u. Württemberg). Dem Wunsche Bayerns
23.
entsprechend kommt der Präsident des norddeutschen Bundeskanzler-
amtes v. Delbrück in München an, wo sich auch der württember-
gische Justizminister v. Mittnacht einfindet. Besprechungen über die
deutsche Verfassungsfrage.
Der Vertreter des norddeutschen Bundes ist angewiesen, keinerlei Druck
auf den freien Willen der süddeutschen Regierungen auszuüben und deshalb
auch keinerlei Vorschläge zu machen, sondern blos solche entgegen zu nehmen.
Bayern ist dabei noch weit entfernt, sich auf den Boden der bestehenden
norddeutschen Bundesverfassung stellen zu wollen.
„ (Bayern). Eine große Volksversammlung in München
spricht sich gegen eine von den Socialdemokraten geforderte Abstimmung
der Elsässer und Lothringer über einen Anschluß derselben an Deutschland
und gegen die Einberufung eines constituirenden deutschen Parlaments behufs
Lösung der deutschen Verfassungsfrage, „wodurch nichts gefördert, sondern die
Sache nur verschleppt würde", aus und beschließt eine Adresse an den König,
wonach die Versammlung derjenigen der beiden Gemeindecollegien zustimmt,
und tritt den drei Stuttgarter Resolutionen bei. An die Versammlung schließt
sich eine Ovation für den Präsidenten des norddeutschen Bundeskanzleramts
v. Delbrück mit einem Hoch auf den „zukünftigen deutschen Kaiser"“. Prä-
sident Delbrück antwortet mit einem Hoch auf den König von Bayern, „dessen
bundestreuem raschen Entschluß allein die Erringung der glänzenden Erfolge
des gegenwärtigen Krieges zu verdanken sei."
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