Die süddentschen Staaten. 213
täten als Richter über Papst und Concil aufrufen, oder mit den beharrlich
fortgesetzten gehässigen Ausfällen der öffentlichen Presse, oder mit der Organi-
sirung einer Protestbewegung gegen das Concil 2c." — nicht nur als voll-
kommen berechligt, sondern auch als ganz angemessen zu erachten nicht umhin
können, verweist die kgl. Regierung auf die — gewiß „unverfängliche“ —
Denkschrift des österreichischen Cultusministers v. Stremayr d. d. 25. Juli
1870 über die Aufhebung des Concordats und über das landesherrliche Pla-
cet und schließt — unter Bezug auf die Tegernseer Erklärung vom 15. Sept.
1821 — folgendermaßen: „Nachdem dies (die Anwendung des k. Placet auf
die Veröffentlichungen der Pastoralblätter) aber geschehen, erwächst dem aller-
unterthänigst Unterzeichneten die unangenehme Erfüllung seiner Pflicht, sowohl
die Freiheit und das Recht der katholischen Gewissen, die von dem ökumenischen
Concil publicirten dogmatischen Decrete nach ihrem authentischen Wortlaut
kennen zu lernen, als auch die von Gott dem Heiland gewollte freie Aus-
übung des kirchlichen Lehr= und Hirtenamtes im Sinne des Concordats mit
schuldigster Ehrerbietung, aber entschieden zu wahren.“
9. Oct. (Württemberg). Der König läßt auf die Adresse vom
2. d. M. der mit Ueberreichung derselben beauftragten Deputation
eröffnen:
„Nach Vorlegung der in einer Versammlung zu Stuttgart am 3. Sept.
d. J. gefaßten Resolutionen haben Se. Maj. der König über Höchstihren
Standpunkt in der deutschen Verfassungsfrage im Allgemeinen sich ausgespro-
chen. Daß seitdem ein Abgesandter Höchstihrer Regierung an den in München
gepflogenen Besprechungen über eine neue Gestaltung der deutschen Verhältnisse
sich betheiligt hat, ist bekannt. Ueber die Art und Weise, wie die Einigung
Deutschlands herbeizuführen sei im Einzelnen sich auszusprechen, erlaubt
Höchstihrer Regierung der Stand der Verhandlungen nicht. Von den Ansich-
ten der am 2. October in der Liederhalle Versammelten haben Se. Maj. der
König Kenntniß genommen. Hoöchst dieselben vertrauen, daß die in Aussicht
stehenden Verhandlungen unter den deutschen Regierungen einen günstigen, den
nationalen Bedürfnissen entsprechenden Verlauf nehmen werden.“
Gleichzeitig bringt der „Staatsanzeiger“ eine Art ministerieller
Antwort auf dieselbe Adresse.
Diese Antwort vermeidet, in diplomatischer Fassung sich darüber auszu-
sprechen, daß die württemb. Regierung in den norddeutschen Bund einzutreten
bereit sei, spricht aber von einer bundesstaatlichen Einigung und der gebote-
nen Umwandlung des bisherigen mehr internationalen in ein staatsrechtliches
Verhältniß, von verfassungsmäßiger Einigung Deutschlands mit Centralgewalt,
deutschem Parlament, gemeinsamer, bestimmt begrenzter Gesetzgebung und ein-
heitlichem Heere. Trotz aller Zurückhaltung ist aber doch aus der Erklärung
zu entnehmen, daß Württemberg thatsächlich in den Nordbund eintreten will.
An demselben Tage tritt auch das Landescomité der Volkspartei
in Stuttgart (14 Abgeordnete der Volkspartei und als Gäste
5 großdeutsche Abgeordnete) zur Besprechung der deutschen Frage
zusammen. Das Ergebniß wird in einer Erklärung niedergelegt,
welche den in der öffentlichen Meinung eingetretenen Umschwung
klar zu Tage legt:
„Die gewaltige Offenbarung der Einheit nach Außen, beginnt das Schrift-
stück, welche in dem Feldzug und in den Siegen der verbündeten deutschen
Heere zu Tage tritt, ließ den alten Wunsch nach einheitlichem inneren Aufbau
des Vaterlandes mehr als je lebendig werden im Herzen des Volkes. Die
rückkehrenden Kämpfer, welche auszogen für des Bodens Sicherheit und Unver-
sehrtheit und durch unerhörte Opfer und Leistungen Deutschland zu einer bis-