Die süddeutschen Staaten. 215
Verfassung entstehen soll, diese gegründet sein muß in aufrichtig constitutio-
nellem Wesen, mit allen Forderungen, welche aus demselben entspringen, mit
Budgetrecht und Ministerverantwortung und Allem, was zu einem bürgerlich
freien Staatsleben gehört. Den verbundenen Staaten muß die zum eigenen
Leben erforderliche Selbständigkeit, den Gemeinden muß ihre Selbstverwaltung,
den Bürgern ihre persönliche Freiheit verfassungsmäßig gewahrt sein. Die
Wehrhaftigkeit des- neuen Deutschlands soll über allen Zweifel festgestellt, aber
mit dem Bildungs= und Erwerbsleben der Nation in Einklang gebracht sein.
Solchem Werk ist die Zustimmung des Volkes, ist Dauer und Entwicklung
gewiß.“ Die großdeutschen Abgeordneten, welche an den Berathungen
theilgenommen, stellen ihre Zustimmung ausdrücklich dahin fest, daß 1) ein
Bundesverhältniß mit Norddeutschland einzugehen sei, auch wenn Deutsch-
Oesterreich vorerst außer der Verbindung bleibe; daß aber 2) die staatsrecht-
liche Verbindung nicht auf Grund der bestehenden Nordbundsverfassung mög-
lich sei, vielmehr 3) der neue Bund die Garantien eines wahren Con-
stitutionalismus zu geben habe. Auf dieser Grundlage behalten sie sich
vor, auch ihrerseits mit ihren Gesinnungsgenossen in Berathung zu treten.
10. Oct. (Württemberg). Eine Versammlung der nationalen und
11.
der sog. liberalen Mittel= (Regierungs-)Partei beschließt zu Stutt-
gart einstimmig folgende Erklärung:
„Nachdem durch die vertragstreue Haltung der süddeutschen Regierungen,
durch die Einmüthigkeit des deutschen Volkes, durch die meisterhafte Kriegs-
leitung und die bewunderungswürdige Tapferkeit des deutschen Heeres der An-
griff des übermüthigen Nachbars zurückgewiesen und derselbe durch eine Reihe
unerhörter Siege zu Boden geworfen ist, erwartet das deutsche Volk die ver-
fassungsmäßige Einigung Süddeutschlands und Norddeutschlands zur Entfal-
tung und Kräftigung seines nationalen Lebens. — Erfüllt von dem Gefühle
loyaler Anhänglichkeit an das württembergische Regentenhaus, wie von der
Liebe zu einem einigen Deutschland, begrüßt die liberale Partei mit Dank
und Freude die Kundgebung der Regierung, welche die verfassungsmäßige Ei-
nigung Deutschlands mit Centralgewalt, deutschem Parlament, gemeinsamer
bestimmt begrenzter Gesetzgebung und einheitlichem Heer als ihr Ziel aner-
kennt. Die liberale Partei hält es für unerläßlich, daß mit dem Abschluß
des Friedens, welcher die für dessen Dauerhaftigkeit und die Sicherheit der
deutschen Grenzen erforderlichen Garantien und volle Schadloshaltung ver-
schaffen muß, die bundesstaatliche Einigung Deutschlands ins Leben tritt. —
Sie erwartet, daß eine neu zuwählende Volksvertretung einem Staats-
vertrage ihre verfassungsmäßige Zustimmung ertheile, durch welchen auf der
Grundlage der norddeutschen Bundesverfassung die gemeinsame
Gesetzgebung, die diplomatische Vertretung des geeinigten Deutschlands und ein
einheitliches Heer erreicht wird. — Unsere Mitbürger, welche die neue Ge-
staltung Deutschlands auf diesem Wege wollen, werden darin mit uns einig
sein, daß dieses große Ziel nur erreichbar ist, wenn Sonderauffassungen ein-
zelner Fragen und untergeordnete Bedenken zurückgehalten und überwunden
werden. Wir vertrauen der gesunden Entwicklung des deutschen Staatslebens,
daß ein in seiner Eigenart erhaltenes Württemberg ein lebenskräftiges Glied
des Ganzen bleiben werde."“
„ (Bayern). Der extreme Theil der patriotischen Abgeordneten
zur II. Kammer (unter Führung des Prof. Greil) tritt in Geisel-
höring zusammen, kommt jedoch zu keinen einläßlichen Resolutionen
und begnügt sich mit dem Beschlusse, an den Grundsätzen des Pro-
gramms der Partei festzuhalten, sich von dem andern Theile, der
am 26. Sept. in München tagte, nicht zu trennen und im übrigen