Allgemeine Chronik. 15
Telegramm ihren Vertretern mit, um sie Üüber das Thatsächliche in Kenntniß
zu setzen.
14. Juli. (Oesterreich-Ungarn: Ungarn). Andrassy erklärt sich im Unterhause
entschieden gegen eine Allianz mit Frankreich.
„ „ (Verein. Staaten). Beide Häuser des Congresses einigen sich über
einen neuen Zolltarif, der das bisherige Schutzzollsystem wesentlich ermäßigt.
15. „ (Frankreich). Die Regierung theilt beiden Kammern die Vorgänge in
Ems nach ihrer Auffassung und Färbung mit, erklärt dieselben für eine Be-
leidigung und den Kriegsfall für eingetreten, weshalb sie vorläufig einen Credit
von 50 Mill. für das Kriegsministerium begehrt. Die Linke verlangt um-
sonst die Vorlegung der wenigstens angeblich beleidigenden Depesche der. preu-
ßischen Regierung. Thiers erklärt sich entschieden gegen den Krieg. Ollivier
nimmt die Verantwortlichkeit für denselben „leichten Gemüthes, ja wohl leich-
ten Gemüthes“ auf sich und das Cabinet. Der geforderte vorläusige Kriegs-
credit wird mit allen gegen blos 10 Stimmen bewilligt. Paris ist am Abend
der Schauplatz einer Rcihe kriegerischer Demonstrationen. ·
„ „ (Nordd. Bund). Der König von Preußen bricht seine Kur in Ems ab
und kehrt nach Berlin zurück, wo er die Vorgänge dieses Tages im gesetzg.
Körper und im Senate Frankreichs erfährt. Er befiehlt sofort die Mobili-
firung der gesammten Streitkräfte des norddeutschen Bundes und die Ein-
berufung des Reichstages auf den 19. Juli.
„ „ (Deutschland — Bayern). II. Kammer: Fortsetzung der Budgetdebatte,
Generaldebatte über den Militäretat. Die Spezialdebatte darüber wird durch
die Nachrichten aus Paris und die sich daran knüpfenden Ereignisse abgeschnitten.
Der König ist sofort entschlossen, den casus foederis anzuerkennen und gegen
Frankreich zu Preußen zu stehen.
„ „ (England) sucht erst jeht, da es zu spät ist, zwischen Preußen und Frank-
reich zu vermitteln. Die öffentliche Meinung ist inzwischen überwiegend Deutsch-
land zugeneigt.
„ (Verein. Staaten). Die Stimmung der öffentlichen Meinung ist in dem
Kriege zwischen Frankreich und Deutschland ganz entschieden überwiegend auf
Seite Deutschlands, namentlich durch den Einfluß des sich bei dieser Gelegen-
heit mächtig regenden deutschen Elements der Bevölkerung.
16. , (Frankreich). Der Senat geht in corpore nach St. Cloud, um den Kai-
ser zu dem endlich gefaßten Entschlusse zu beglückwünschen. — Der Kaiser will
den Oberbefehl gegen Preußen selber übernehmen: Marschall Leboeuf wird
zum Chef seines Generalstabs ernannt und als Kriegsminister interimistisch
durch General Desjean ersetzt.
„ (Deutschland). Die süddeutschen Staaten mobilisiren ihre gesammten
Streitkräfte, ohne indeß noch zu erklären, daß sie in dem bevorstehenden Krieg
zwischen dem norddeutschen Bunde und Frankreich zu Preußen stehen werden,
bevor die Kammern darüber entschieden haben werden, die theils gerade ver-
sammelt sind, theils sofort einberufen werden. Baden anerkennt den casus
foederis der Schutz= und Trutzbündnisse mit Preußen und handelt demgemäß,
ohne, wegen der exponirten Lage des Landes, die jeden Tag den Einbruch einer
französischen Armee befürchten läßt, den Landtag einzuberufen.
„ „ (Oesterreich-Ungarn: Ungarn). Das Unterhaus nimmt das Comitats-
gesetz nach der Vorlage der Regierung mit 203 gegen 145 Stimmen an.
„ (Türkei: Rumänien). Die II. Kammer interpellirt die Regierung Üüber
die Differenzen zwischen Frankreich und Deutschland und votirt eine Sympathie-
erklärung für Frankreich.
17. „ (Frankreich). Die Kriegserklärung geht von Paris nach Berlin ab.
„ „ (Nordd. Bund). Ein norddeutsches Panzergeschwader, das eben die Fahrt
nach den Azoren angetreten hat, kehrt, noch rechtzeitig unterrichtet, nach Wil-
helmshafen zurück. «
„ „ (Nordd. Bund: Preußen) suspendirt einige welfische Zeitungen in Han-