Full text: Europäischer Geschichtskalender. Elfter Jahrgang. 1870. (11)

240 Anhang von Actenstücken jur deutschen Verfasfungsfrage. 
Art. 4 (Competenz der Bundesgesetzgebung) enthält zusätzlich eine neue Nr. 16, 
die Bestimmungen über die Presse und das Vereinswesen. (Eine Ausdehnung der 
Competenz auf das gesammte bürgerliche Recht soll also nicht stattfinden.) Art. 5. 
Außer bei Gesetzvorschlägen über das Militärwesen und die Kriegsmarine soll auch 
bei solchen über die im Art. 35 bezeichneten Abgaben (Zölle und indirecte Steuern) 
die Stimme des Bundespräsidiums den Ausschlag geben, wenn dieselbe sich für Auf- 
rechterhaltung der bestehenden Einrichtungen ausspricht. Art. 6. Baden erhält 3, 
Hessen (statt der bisherigen 1) gleichfalls 3 Stimmen im Bundesrathe, dessen Ge- 
sammtstimmenzahl von 43 auf 48 Stimmen sich erhöht. Art. 7 erhält neben neben- 
sächlichen oder aus Vorstehendem sich ergebenden Aenderungen folgenden Zusatz: „Bei 
der Beschlußfassung (im Bundesrath) über eine Angelegenheit, welche nach den Be- 
stimmungen dieser Verfassung nicht in dem ganzen Bunde gemeinschaftlich ist, werden 
die Stimmen nur derjenigen Bundesstaaten gezählt, welchen die Angelegenheit gemein- 
schaftlich ist.“ Art. 8 bestimmt wegen der Bundesrathsausschüsse, welche die bisheri- 
gen bleiben und auch wie bisher vom Präsidium ernannt oder vom Bundesrath ge- 
wählt werden sollen: „In jedem dieser Ausschüsse werden außer dem Präsidium min- 
destens vier (statt bisher 2) Bundesstaaten vertreten sein, und führt innerhalb der- 
selben jeder Staat nur eine Stimme.“ Art. 11 enthält den Zusatz: „Zur Erklärung 
des Krieges im Namen des Bundes ist die Zustimmung des Bundesraths erforderlich, 
es sei denn, daß ein Angriff auf das Bundesgebiet oder dessen Küsten erfolgt.“ Art. 
18 bestimmt neu hinsichtlich der Bundesbeamten: „Den zu einem Bundesamte be- 
rufenen Beamten eines Bundesstaates stehen, sofern nicht vor ihrem Eintritt in den 
Bundesdienst im Wege der Bundesgesetzgebung etwas anderes bestimmt ist, dem Bunde 
gegenüber diejenigen Rechte zu, welche ihnen in ihrem Heimathland aus ihrer dienst- 
lichen Stellung zugestanden hatten. Art. 19 soll fortan lauten: „Wenn Bundesglieder 
ihre verfassungsmäßigen Bundespflichten nicht erfüllen, können sie dazu im Wege der 
Execution angehalten werden. Diese Execution ist vom Bundesrathe zu beschließen 
und vom Bundespräsidium zu vollstrecken.“ (Bisher konnte in Militärsachen auch 
der Bundesfeldherr allein die Execution verfügen. Ganz wegfallen soll auch die bis- 
herige Bestimmung, wonach die Execution bis zur Sequestration des betreffenden Lan- 
des und seiner Regierungsgewalt sollte ausgedehnt werden dürfen.) Art. 20 setzt fest, 
daß Baden 14, Südhessen 6 Abgeordnete in den Reichstag wählen und dieser dem- 
nach fortan 317 Mitglieder zählen soll. Art. 28 bestimmt entsprechend der Aenderung 
in Art. 7 auch für den Reichstag: „Bei der Beschlußfassung über eine Angelegen- 
heit, welche nach den Bestimmungen dieser Verfassung nicht dem ganzen Bunde ge- 
meinschaftlich ist, werden die Stimmen nur derjenigen Mitglieder gezählt, die in Bun- 
desstaaten gewählt sind, welchen die Angelegenheit gemeinschaftlich ist.“ Art. 35, von 
den Abgaben und Zöllen, erhält den Zusatz: „In Baden bleibt die Besteuerung des 
inländischen Branntweins und Biers der Landesgesetzgebung vorbehalten. Die Bundes- 
staaten werden jedoch ihr Bestreben darauf richten, eine Uebereinstimmung der Gesetz- 
gebung über die Besteuerung auch dieser Gegenstände herbeizuführen.“ Art. 78 be- 
stimmt: „Veränderungen der Verfassung erfolgen im Wege der Gesetzgebung, jedoch 
ist zu denselben im Bundesrath eine Mehrheit von drei Viertheilen (statt bisher zwei 
Drittel) der vertretenen Stimmen erforderlich.“ Art. 79 soll fortan lauten: „Der 
Eintritt eines dem Bunde nicht angehörenden deutschen Staats in den Bund erfolgt 
auf den Vorschlag des Bundespräsidiums im Wege der Bundesgesetzgebung.“ Endlich 
enthält die neue Verfassung als Uebergangsbestimmung folgenden Zusatzartikel (80): 
„Die nachstehend genannten, im norddeutschen Bunde ergangenen Gesetze werden zu 
Gesetzen des deutschen Bundes erklärt, und als solche von den nachstehend genannten 
Zeitpunkten an in das gesammte Bundesgebiet mit der Wirkung eingeführt, daß, wo 
in diesen Gesetze von dem norddeutschen Bunde, dessen Verfassung, Gebiet, Mitgliedern 
oder Staaten, Indigenat, verfassungsmäßigen Organen, Angehörigen, Beamten, Flagge 
u. s. w. die Rede ist, der deutsche Bund und dessen entsprechende Beziehungen zu ver- 
stehen sind, nämlich: 
I. vom Tage der Wirksamkeit der gegenwärtigen Verfassung an: 1) das Ge- 
setz über das Paßwesen, vom 12. Oct. 1867; 2) das Gesetz, betreffend die Nationa-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.