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Allgemeine Chronik.
Küsten wird alles aufgeboten, an der Vollendung und Vervollständigung der
Küstenbefestigungen eifrig gearbeitet. Der militärische Oberbefehl nach dieser
Seite ist dem General Vogel v. Falkenstein anvertraut; eine übermächtige
französische Flotte mit einem Landungsheere wird erwartet. Die norddeutsche
Flotte ist in Wilhelmshafen und Kiel gegen Uebermacht geborgen, gegen gleiche
Kräfte zur Action bereit.
24. Juli. (Frankreich). Die Kaiserin inspizirt in Cherbourg die Flotte, die am fol-
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genden Tage in die Nordsee abgeht, aber nur halb so stark, wie beabsichtigt
war, und vorerst ohne Landungstruppen.
(Italien) kündigt offiziell seine Neutralität gegenüber dem deutsch-franzö-
sischen Kriege an.
„ (Deutschland — Bayern). Die große Mehrzahl sämmtlicher Professoren
und Docenten der Universität München erläßt eine öffentliche Erklärung gegen
die Oecumenicität des vaticanischen Concils und gegen das von denselben
beschlossene Infallibilitätsdogma. ·
,(Dcutschland).DernorddeutfcheBundeskanzlerbeginntvordermilitäri-
schen eine diplomatische Action gegen Frankreich. Die Londoner Times ver-
öffentlicht einen von der Hand des französischen Botschafters und auf Papier
der Botschaft geschriebenen Vertragsentwurf, durch welchen Frankreich gegen
eine Preisgebung Belgiens und Luxemburgs von Seite Preußens diesem
eine Union des Nordbundes mit den süddeutschen Staaten auf Grund eines
gemeinsamen Parlaments erlaubt hätte.
(Frankreich) folgt dem vom norddeutschen Bunde unter dem 18. d. M.
gegebenen Beispiele der Achtung des Privateigenthums zur See nicht, sondern
bleibt seinerseits bei den in der Declaration des Pariser Congresses von 1856
diesfalls ausgesprochenen Grundsätzen stehen.
„ (Deutschland). Der norddeutsche Bundeskanzler bestätigt in einer telegra-
phischen Depesche an alle Mächte die Authenticität der Enthüllung der Times
und schneidet Frankreich jede Hoffnung ab, sich am Ende doch noch auf solchen
Grundlagen mit Preußen arrangiren zu können, indem er erklärt: „Die
schließliche Ueberzeugung, daß mit uns keine Erweiterung der Grenzen Frank-
reichs zu erreichen sei, dürfte den Entschluß gereift haben, eine solche gegen
uns zu erkämpfen. Ich habe sogar Grund zu glauben, daß, wenn diese Ver-
öffentlichung unterblieben wäre, Frankreich nach Vollendung der französischen
und unserer Rüstungen uns angeboten hätte, an der Spitze der betreffenden
Heere dem unbewaffneten Europa gegenüber gemeinsam das Benedetti'sche
Programm durchzuführen, d. h. auf Kosten Belgiens Frieden zu schließen,"
„ (Deutschland). Der Kronprinz von Preußen geht als Höchstcommandiren-
der der dritten deutschen Armee, der auch sämmtliche süddeutsche Streitkräfte
zugetheilt sind, auf den Kriegsschauplatz ab und zwar über München, Stutt-
gart und Karlsruhe, wo er überall mit Enthusiasmus empfangen wird. Die
Stimmung in ganz Süddeutschland ist bereits nicht minder als in Norddeutsch-
land eine durchweg entschlossene für den nationalen Krieg gegen den durch
Nichts provocirten Angriff Frankreichs.
„ (England). Die Regierung legt dem Parlament ein Blaubuch über die
französisch-preußische Differenz wegen der spanischen Throncandidatur vor. Es
ergibt sich daraus, daß die Regierung auch nicht den mindesten energischen
Schritt gethan hat, um den Krieg zu verhindern.
„ (Frankreich). Der Kaiser geht zur Armee ab, ohne Paris zu berühren,
und erläßt eine Proclamation an dieselbe.
„ (Oesterreich-Ungarn: Ungarn). Andrassy spricht sich im Unterhause
sneuerdings) für Neutralität, aber für eine bewaffnete, dem deutsch-französischen
riege gegenüber aus.
„ (Deutschland). Der norddeutsche Bundeskanzler setzt die zuerst in der
Times gemachten Enthüllungen über die Gelüste Frankreichs auf Belgien in
einer Circulardepesche fort, durch weitere Enthüllungen über Versuche Frank-