Oesterreich-Angarn. 273
auf unsere äußere Politik fordern die Interessen des Reiches gebieterisch die
Erhaltung des Friedens, solange es nur immer mit dem Ansehen und der
Machtstellung der Monarchie vereinbar ist; daher Fernhalten jedes störenden
oder hemmenden Einwirkens auf die Gestaltung Deutschlands, Bekämpfung
der russ. Agitationen in den slav. Ländern und möglichst freundschaftliches Ver-
hältniß mit Preußen und Italien. — Bezüglich des zunächst zu beobachtenden
Modus procedendi glaube ich, daß die sogleiche Auflösung des Reichsraths
und sämmtlicher Landtage bei den tiefgehenden nationalen und clerikalen
Agitationen ein Vorgang von sehr unsicherem Erfolge wäre und sich daher
vorerst empfehlen dürfte, in jenen Ländern, aus welchen die Abgeordneten den
Reichsrath verlassen, die Landtage zur Wiederwahl von Reichsrathsabgeord-
neten einzuberufen und sohin erst nach Umständen mit der Auflösung vorzu-
gehen. — Indem ich in die Nothwendigkeit einer gründlichen rationellen Re-
form des gesammten Steuerwesens und der auf dem Gebiete des Handels und
der Volkswirthschaft nothwendigen Reformen nicht näher eingehen will, dürf-
ten die obigen Andeutungen genügen, um meine politischen Ueberzeugungen
klarzustellen, nach denen ich auch als Mitglied eines Ministeriums vorgehen
würde. Nur wenn ich hoffen darf, daß ein Vorgehen nach diesen Ueberzeu-
gungen allerhöchsten Orts gestattet und darüber mir beruhigende Zusicherung
zu Theil wird, zugleich aber mit mir Männer in die Regierung berufen
würden, welche diese politischen Anschauungen theilen und zu vertreten Willens
sind, wäre es mir möglich, dem an mich ergangenen ehrenvollen Rufe Folge
zu leisten und die schweren verantwortlichen Pflichten, die mit dem Eintritte
in das Ministerium verbunden sind, auf mich zu nehmen, weil ich nur dann
hoffen kann, für das Wohl des Vaterlandes etwas Ersprießliches zu leisten.“
10. Apr. Ohne bisher eine Antwort Antonelli's auf seine Depesche vom
10. Februar erhalten zu haben und abzuwarten, richtet Graf Beust
eine neue Depesche nach Rom, um die Depesche des französischen
Ministers des Auswärtigen, Graf Daru (s. Frankreich) zu unter-
stützen und die römische Curie nochmals vor dem betretenen Wege zu
warnen:
„ .. Wir beanspruchen nicht irgend einen Zwang auf die Berathungen
des Concils auszuüben, noch uns, in welcher Weise es auch sei, in die De-
batten dogmatischer Natur einzumischen. Wir wollen nur unsere Stimme
ebenfalls erheben, um uns vor Verantwortlichkeit zu verwahren, und die bei-
nahe unvermeidlichen Folgen zu signalisiren von Akten, welche betrachtet wer-
den müßten als ein Angriff auf die Gesetze, die uns regieren. Gleichwie die
französische Regierung, glauben wir eine Gewissenspflicht zu erfüllen, indem
wir dem römischen Hofe die Gefahren des Weges anzeigen, auf welchen über-
wiegende Einflüsse das Concil drängen zu wollen scheinen. Was uns erregt,
ist nicht die Gefahr, welche unsern Institutionen droht, sondern diejenige, wel-
cher der Friede der Gemüther und die Erhaltung der guten Harmonie in den
Beziehungen des Staats mit der Kirche ausgesetzt sind. Die Gesinnung, welche
uns handeln läßt, darf dem heil. Stuhl um so weniger verdächtig erscheinen,
als sie mit der Haltung einer bedeutenden Fraction der Väter des Concils
übereinstimmt, deren Ergebenheit an die Interessen des Katholicismus nicht
Gegenstand eines Zweifels sein kann. Auf einen ganz andern Boden gestellt
als diese Fraction, weil wir nur politischen Erwägungen folgen, begegnen wir
uns heute doch in dem gemeinsamen Wunsch, gewisse Möglichkeiten zu beseiti-
gen. Dieses Zusammentreffen unserer Bemühungen erlaubt uns, zu glauben,
daß, indem wir das Wort nur im Namen der Interessen des Staats nehmen,
wir nicht die der Kirche verkennen. Wenn der Schritt der französischen Re-
gierung, welchen wir mit aller unserer Macht zu unterstützen wünschen, in die-
sem Augenblick der Minderheit des Concils eine Stütze gibt, und ihr hilft
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