28 Allgemeine Ehronik.
10. u. 16. Nov. (England u. Oesterreich-Ungarn). Die Uebergabe der russischen
Note vom 31. Oct. hat in London, Wien und Pest einen Sturm der Ent-
rüstung und augenblicklich eine sehr kriegerische Stimmung hervorgerufen.
England weist in seiner Antwort an Rußland diese Art, sich eingegangener
Vertragsverbindlichkeiten zu entledigen, scharf zurück, doch zugleich mit der An-
deutung, daß es darum doch nicht absolut ungeneigt sei, dem russischen Ver-
langen materiell zu entsprechen. England schickt Odo Russel in vertraulicher
Mission ins Hauptquarlier des Königs von Preußen nach Versailles.
12. „ (Deutsch-franz. Krieg). In dem belagerten Paris muß bereits zum
Pferdefleisch als hauptsächlichstem Nahrungsmittel gegriffen werden.
13. „ (Deutschland). Die Unterhandlungen in Versoailles über die deutsche Frage
sind mit Württemberg, Baden und Hessen fast zum Abschluß gediehen, mit
Bayern dagegen vorerst fast aussichtslos. Da erhalten die württembergischen
Bevollmächtigten plötzlich die Instruction, mit Bayern zu gehen, und kehren
sofort nach Stuttgart zurück.
14. „ (Schweiz: Genf). Bei den allgemeinen Wahlen zum Gr. Rath erringt
die radicale Partei wieder die Oberhand. Die Regierung nimmt in Folge
davon in corpore ihre Demission.
15. „ (Deutschland). Baden und Hessen schließen in Versailles einen Vertrag mit
* nordd. Bunde ab über ihren Beitritt zu demselben unter einigen Modi-
icationen.
„ „ (Türkei). Die Pforte nimmt den Schlag Nußlands vom 31. Oct. mit
großem Gleichmuth hin und denkt nicht daran, deshalb zu den Waffen greifen
zu wollen, wodurch auch den kriegerischen Gelüsten in England und Oesterreich
die Spitze abgebrochen wird.
16. „ (Nordd. Bund): Preußen). Allgemeine Landtagswahlen. In Rheinland
und Westphalen erringt die clerikale Partei die Oberhand, so daß die in den
letzten Jahren in Norddeutschland ganz zurückgetretene Partei auf einmal
wieder an 60 Mitglieder stark auf den Schauplatz treten wird. Im Gan-
zn halten sich die conservativen und die liberalen Parteien so ziemlich die
aage.
(Deutschland — Bayern). Die Nachricht aus Versailles, daß die Ver-
handlungen in Versailles bez. der deutschen Frage für Bayern zu scheitern
drohen, ruft eine starke Aufregung und unzweideutige Demonstrationen von
Seite der Gemeindebehörden in München und Nürnberg hervor. Die Regie-
rung sucht zu beschwichtigen.
„ „ (Oesterreich-Ungarn) weist die Form der russischen Note resp. Erklä-
rung vom 31. Oct. gleich England sofort zurück, deutet aber gleichfalls die
Geneigtheit an, in der Sache den Wünschen Rußlands zu entsprechen.
„ „ (Nußland). Der Kaiser befiehlt, die Einleitungen zu treffen, um auch in
Rußland eine Art allgemeiner Wehrpflicht einzuführen.
17. , (Oesterreich-Ungarn: Oesterreich). Das Herrenhaus spricht sich in seiner
Antwortsadresse auf die Thronrede neuerdings sehr scharf gegen die Ausgleichs-
bestrebungen des Ministeriums aus. Das Ministerium bietet in Folge davon
dem Kaiser seine Entlassung an.
19. „ (Oesterreich-Ungarn: Oesterreich). Die Antwortsadresse des Abg. Hauses
spricht sich in demselben Sinne wie die des Herrenhauses aus.
20. „ (Italien). Die Neuwahlen zur II. Kammer ergeben ein Uebergewicht der
gemäßigten Elemente. .
21.,(-Oesterteich-Ungarn:Oesterreich).DerReichgrathnimmtdieDeles
gationswahlen vor und wird darauf auf unbestimmte Zeit vertagt.
23. „ (Deutschland). Bayern schließt in Versailles doch auch noch einen Vertrag
mit dem nordd. Bunde über seinen Anschluß an denselben ab unter sehr weit-
gehenden Zugeständnissen an dasselbe.
„ (Nordd. Bund). Eröffnung des Reichstags: der Präsident des Bundes-
kanzleramts, v. Delbrück, verliest die Thronrede des Königs von Preußen.
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