Trankreich. 379
clamation gesteht die Capitulation von Sedan und die Gefangen-
schaft des Kaisers ein, will aber nur von 40,000 Mann wissen,
die in Gefangenschaft gerathen seien.
Gesetzgeb. Körper: Nachts: Palikao gesteht endlich das Unglück
von Sedan vollständig ein, prahlt aber gleichzeitig mit 500,000 Mann,
die in den nächsten Tagen dem Feind gegenüberstehen würden, erklärt
eine Discussion in diesem Augenblick für unmöglich und verlangt
Vertagung der Sitzung. Jules Favre beantragt die Absetzung des
Kaisers und seiner Dynastie und die Einsetzung einer Regierungs-
commission aus dem Schooß des gesetzgeb. Körpers „zur Vertreibung
des Feindes“. Tiefes Stillschweigen. Die Sitzung wird auf den
folgenden Tag (Sonntags) Mittag vertagt.
Zusammenrottungen in den Straßen werden vom Militär aus-
einander gesprengt.
4. Sept. Senat (Mittags): Rouher theilt den von Favre gestellten Antrag
auf Absetzung des Kaisers mit. Die Senatoren antworten von allen
Seiten mit: Es lebe der Kaiser! die Kaiserin! der kaiserl. Prinz!
die Dynastie! Nouher erklärt, der Antrag, in diesen Mauern vor-
gebracht, würde nur einer einmüthigen Zurückweisung begegnen.
Graf Flamarens: er dürfte die Schwelle dieser Versammlung nicht
überschreiten. Die Sitzung wird suspendirt, um Nachrichten aus
dem gesetzgeb. Körper abzuwarten.
Gesetzgeb. Körper (1 Uhr 20 Minuten): Das Gebäude ist von
starken Truppenmassen bewacht: Palikao bringt einen von der Kai-
serin „für den Kaiser und kraft der ihr von ihm anvertrauten Voll-
macht“" unterzeichneten Gesetzesentwurf ein:
Ein Conseil der Regierung und Nationalvertheidigung, aus fünf Mitglie-
dern bestehend, wird vom gesetzgeb. Körper ernannt. Die Minister werden
unter Gegenzeichnung dieses Conseils ernannt. (Ruf: „Ernannt durch wen?“)
Herr v. Palikao wird zum General-Statthalter beim Conseil ernannt.“ (Zahl=
reiche Stimmen: „Wie, was bedeutet das? was will das sagen?") Der Mi-
nister verlangt, daß diesem Gesetzentwurf die Dringlichkeit zugestanden werde.
Favre beansprucht die Priorität für seinen Antrag auf Absetzung des Kaisers.
Thiers verlangt die Einsetzung einer Commission für die Regierung und die
Nationalvertheidigung und Einberufung einer Constituante, „sobald die Er-
eignisse es gestatten“". Alle drei Anträge werden an die Abtheilungen ver-
wiesen. Die Deputirten ziehen sich dahin zurück. Kaum sind indessen zehn
Minuten vergangen, erhebt sich um das Haus ein wildes Geschrei. Die Zu-
hörer der Tribünen steigen auf der großen Treppe nach dem Pont de la Con-
corde herab, schwenken ihre Hüte und geben den Nationalgarden, die auf dem
Pont de la Concorde Wache halten, Zeichen, zu ihnen zu kommen. Diese
zögern einen Augenblick; aber bald setzen sie sich in Marsch, die Menge folgt
ihnen. Eine kurze Zeit lang werden sie von den Gardes de Paris zu Pferde
aufgehalten, die ihnen indessen bald den Weg freigeben, ohne einen Schuß zu
thun. Das Sitzungsgebäude wird von der Volksmenge in Beschlag genom-
men. Nationalgarde und Volk stürzt nach den Tribünen und schreit: „Die
Absetzung! die Absetzung '" Um 2½¼ Uhr soll die Sitzung des gesetzgebenden
Körpers wieder aufgenommen werden. Die Tribünen sind dicht von einer
lärmenden Menge besetzt; nur etwa ein Dutzend Deputirte sind auf die Auf-