Full text: Europäischer Geschichtskalender. Elfter Jahrgang. 1870. (11)

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Trankreich. 
Partisanenkrieg vervielfältigen, wir müssen dem Feinde Fallen und Hinterhalte 
legen, müssen ihn beunruhigen, müssen mit einem Worte einen nationalen Krieg an- 
fangen. Die Republik ruft die Mitwirkung Aller an. Sie wird alle Fähigen ver- 
wenden. In Gemäßheit ihrer Tradition wird sie auch junge Leute zu Führern 
machen. Der Himmel wird aufhören, unsere Gegner zu begünstigen. Die Herbst- 
regen werden kommen, und, zurückgehalten bei Paris, weit entfernt von ihrer Hei- 
math, beunruhigt von uns, werden die Feinde decimirt werden durch unsere 
Waffen, durch den Hunger, durch die Natur. Nein, es ist nicht möglich, daß 
der Genius Frankreichs sein Antlitz auf immer verhüllt habe, daß die große 
Nation sich den ihr zukommenden Platz in der Welt durch die Invasion von 
500,000 Menschen nehmen läßt. Erheben wir uns in Massen; laßt uns lie- 
ber sterben, als die Schmach einer Zerstückelung Frankreichs erdulden; trotz 
alles unsers Unglücks bleibt uns noch das Gefühl der Einheit und Untheil- 
barkeit der französischen Republik. Ruhmreicher als je wird das belagerte 
Paris jene unsterbliche Devise aufrechterhalten, welche ganz Frankreich ihm 
nachsprechen wird: Es lebe die Nation, es lebe die eine und untheilbare 
epublik." 
9—11. Oct. General v. d. Tann schlägt die neu gebildete französische 
Loirearmee unter General de la Motterouge, wirft sie näch Orleans 
zurück und erobert die Stadt. 
10. „ Graf Bismarck erörtert in einer sämmtlichen Cabinetten mit- 
getheilten Denkschrift die möglichen Felgen einer Aushungerung von 
Paris: 
„Die Hrn. Jules Favre gestellten Waffenstillstandsbedingungen, auf Grund 
deren die Anbahnung geordneter Zustände in Frankreich erstrebt werden sollte, 
sind von ihm und seinen Collegen verworfen worden. Die Fortsetzung eines, 
nach dem bisherigen Gange der Ereignisse, für das französische Volk aussichts- 
losen Kampfes ist damit ausgesprochen. Die Chancen dieses opfervollen 
Kampfes haben sich für Frankreich seitdem noch verschlechtert. Toul und 
Straßburg sind gefallen, Paris ist eng cernirt, und die deutschen Trup- 
pen streifen bis zur Loire. Die vor jenen Festungen engagirt gewesenen be- 
trächtlichen Streitkräfte stehen der deutschen Armeeführung zur freien Ver- 
fügung. Das Land hat die Consequenzen des von den französischen Macht- 
habern in Paris gefaßten Entschlusses eines Kampfes à outrance zu tragen, 
seine Opfer werden sich unnützer Weise vergrößern und die socialen Zustände 
in immer gefährlicheren Dimensionen sich zersetzen. Dem entgegenzuwirken, 
sieht sich die deutsche Armeeführung leider nicht in der Lage. Aber sie ist 
sich über die Folgen des von den französischen Machthabern beliebten Wider- 
standes völlig klar und muß namentlich auf einen Punkt die allgemeine 
Aufmerksamkeit im Voraus leiten. Es betrifft dies die speciellen Verhältnisse 
in Paris. Die bisher vor dieser Hauptstadt geführten größeren Gefechte am 
19. und 30. v. M., in welchen der Kern der dort vereinigten feindlichen 
Streitkräfte nicht einmal vermocht hat, die vorderste Linie der Cernirungs- 
truppen zurückzuwerfen, gibt die Ueberzeugung, daß die Hauptstadt über kurz 
oder lang fallen muß. Wird dieser Zeitpunkt durch das Gouvernement pro- 
Visoire de la défense nationale so weit hinausgeschoben, daß der drohende 
Mangel an Lebensmitteln zur Capitulation zwingt, so müssen daraus schrecken- 
erregende Consequenzen entstehen. Die französischer Seits in einem gewissen 
Umkreise von Paris ausgeführten widersinnigen Zerstörungen von Eisenbahnen, 
Brücken und Kanälen haben die Fortschritte der diesseitigen Armeen nicht 
einen Augenblick aufzuhalten vermocht; die für letztere nothwendigen Land- 
und WassercommuniLationen sind in sehr kurzer Zeit von ihnen retablirt wor- 
den. Diese Wiederherstellungen beziehen sich naturgemäß nur auf die rein
	        
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