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Trankreich.
Partisanenkrieg vervielfältigen, wir müssen dem Feinde Fallen und Hinterhalte
legen, müssen ihn beunruhigen, müssen mit einem Worte einen nationalen Krieg an-
fangen. Die Republik ruft die Mitwirkung Aller an. Sie wird alle Fähigen ver-
wenden. In Gemäßheit ihrer Tradition wird sie auch junge Leute zu Führern
machen. Der Himmel wird aufhören, unsere Gegner zu begünstigen. Die Herbst-
regen werden kommen, und, zurückgehalten bei Paris, weit entfernt von ihrer Hei-
math, beunruhigt von uns, werden die Feinde decimirt werden durch unsere
Waffen, durch den Hunger, durch die Natur. Nein, es ist nicht möglich, daß
der Genius Frankreichs sein Antlitz auf immer verhüllt habe, daß die große
Nation sich den ihr zukommenden Platz in der Welt durch die Invasion von
500,000 Menschen nehmen läßt. Erheben wir uns in Massen; laßt uns lie-
ber sterben, als die Schmach einer Zerstückelung Frankreichs erdulden; trotz
alles unsers Unglücks bleibt uns noch das Gefühl der Einheit und Untheil-
barkeit der französischen Republik. Ruhmreicher als je wird das belagerte
Paris jene unsterbliche Devise aufrechterhalten, welche ganz Frankreich ihm
nachsprechen wird: Es lebe die Nation, es lebe die eine und untheilbare
epublik."
9—11. Oct. General v. d. Tann schlägt die neu gebildete französische
Loirearmee unter General de la Motterouge, wirft sie näch Orleans
zurück und erobert die Stadt.
10. „ Graf Bismarck erörtert in einer sämmtlichen Cabinetten mit-
getheilten Denkschrift die möglichen Felgen einer Aushungerung von
Paris:
„Die Hrn. Jules Favre gestellten Waffenstillstandsbedingungen, auf Grund
deren die Anbahnung geordneter Zustände in Frankreich erstrebt werden sollte,
sind von ihm und seinen Collegen verworfen worden. Die Fortsetzung eines,
nach dem bisherigen Gange der Ereignisse, für das französische Volk aussichts-
losen Kampfes ist damit ausgesprochen. Die Chancen dieses opfervollen
Kampfes haben sich für Frankreich seitdem noch verschlechtert. Toul und
Straßburg sind gefallen, Paris ist eng cernirt, und die deutschen Trup-
pen streifen bis zur Loire. Die vor jenen Festungen engagirt gewesenen be-
trächtlichen Streitkräfte stehen der deutschen Armeeführung zur freien Ver-
fügung. Das Land hat die Consequenzen des von den französischen Macht-
habern in Paris gefaßten Entschlusses eines Kampfes à outrance zu tragen,
seine Opfer werden sich unnützer Weise vergrößern und die socialen Zustände
in immer gefährlicheren Dimensionen sich zersetzen. Dem entgegenzuwirken,
sieht sich die deutsche Armeeführung leider nicht in der Lage. Aber sie ist
sich über die Folgen des von den französischen Machthabern beliebten Wider-
standes völlig klar und muß namentlich auf einen Punkt die allgemeine
Aufmerksamkeit im Voraus leiten. Es betrifft dies die speciellen Verhältnisse
in Paris. Die bisher vor dieser Hauptstadt geführten größeren Gefechte am
19. und 30. v. M., in welchen der Kern der dort vereinigten feindlichen
Streitkräfte nicht einmal vermocht hat, die vorderste Linie der Cernirungs-
truppen zurückzuwerfen, gibt die Ueberzeugung, daß die Hauptstadt über kurz
oder lang fallen muß. Wird dieser Zeitpunkt durch das Gouvernement pro-
Visoire de la défense nationale so weit hinausgeschoben, daß der drohende
Mangel an Lebensmitteln zur Capitulation zwingt, so müssen daraus schrecken-
erregende Consequenzen entstehen. Die französischer Seits in einem gewissen
Umkreise von Paris ausgeführten widersinnigen Zerstörungen von Eisenbahnen,
Brücken und Kanälen haben die Fortschritte der diesseitigen Armeen nicht
einen Augenblick aufzuhalten vermocht; die für letztere nothwendigen Land-
und WassercommuniLationen sind in sehr kurzer Zeit von ihnen retablirt wor-
den. Diese Wiederherstellungen beziehen sich naturgemäß nur auf die rein