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Rom.
partei des Concils nach und bestimmt durch ein Monitum die Unfehlbar=
keitsfrage als den nächsten Berathungsgegenstand des Concils. Die
Berathung über den kleinen Katechismus wird geschlossen, sofort soll
nun die Infallibilität auf die Tagesordnung des Concils gesetzt
werden.
30. April. Der Papst läßt an die Bäter die Vorlage de romano pontifico
vertheilen (s. den Wortlaut im Anhang Nr. 2).
„ Eine Anzahl Vischöfe der Minderheit aus Frankreich, Oesterreich,
Ungarn, Italien, England, Irland und Nordamerika übergeben dem
Vorsitzenden des Concils ein „Postulat über das Verhältniß der
geistlichen zur weltlichen Gewalt" und verlangen, daß diese Fragen
vor der Unfehlbarkeitsfrage zur Discussion gelangen, um so von
der letztern wenigstens diejenigen Consequenzen abzutrennen, die doch
niemals ins Leben zu führen wären und der Kirche nur schaden
könnten, der politischen Well aber als die gehässigsten erschienen:
„Wir sind weit entfernt von dem ungerechten Urtheil Jener, welche die Päpste
des Mittelalters, weil sie über Könige und Reiche Recht sprachen, eines unge-
messenen Ehrgeizes und der Störung der bürgerlichen Ordnung anklagten; viel-
mehr sind wir völlig überzeugt, daß dieselben rechtmäßig eine Gewalt ausübten,
welche nach dem öffentlichen Rechte der occidentalischen Völker ihnen zukam,
und daß für das christliche Volk daraus große Wohlthaten sich ableiteten.
Da aber jene Päpste, wie es damals auch der Gelehrteste that, nach dem
Maßstabe ihrer Zeit die Vergangenheit beurtheilten, auch durch falsche Nach-
richten über Päpste früherer Jahrhunderte, welche Kaiser abgesetzt hätten, ge-
täuscht wurden, so glaubten sie fest und sprachen es in Decreten und Reseripten
aus: es sei ihnen von Gott das Recht verliehen, über alle weltlichen Ange-
legenheiten rückfichtlich der Sünde zu gebieten und zu richten; denn Christus
der Herr habe dem hl. Petrus und dessen Nachfolgern zwei Schwerter über-
geben: das eine das geistliche, das sie selbst trügen; das andere das weltliche,
das die Fürsten und Krieger nach ihrer Weisung zu tragen hätten. Diese
Lehre von dem Verhältniß der päpstlichen Gewalt zur weltlichen hat Boni-
faz VIII. in der Bulle „Unam Sanctam“ verkündigt und allen Gläubigen
zur Annahme vorgehalten. Es gibt Einige, die zur Beseitigung der Schwie-
rigkeiten behaupten: Bonifaz habe nichts definirt, als: alle Menschen seien ver-
pflichtet, den römischen Papst als das von Christo bestellte Haupt der Kirche
anzuerkennen; wer aber die Vorgänge zwischen Bonifaz und Philipp dem
Schönen kennt, dem kann die Meinung des Papstes, der auf einer die Ange-
legenheiten Frankreichs behandelnden Synode die Bulle veröffentlichte, nicht im
Zweifel stehen. Dem Augenschein widerstreben läßt die Wahrheitsliebe nicht
und ist auch der Klugheit nicht angemessen; denn wer sich solcher Waffen be-
dient, bietet den Gegnern der Kirche den besten Vorwand, sie zu verleumden
und die ihr günstigen Zeugnisse der Geschichte zurückzuweisen. Uebrigens ha-
ben die Päpste bis zum 17. Jahrhundert öffentlich gelehrt: die Gewalt über
das Weltliche sei ihnen von Gott übergeben worden, und haben die entgegen-
gesetzte Meinung verdammt. Eine andere Lehre über die Beziehung der geist-
lichen Gewalt zur weltlichen legen wir und fast alle Bischöfe der katholischen
Welt dem christlichen Volke vor. Wir lehren nämlich: ungleich sei allerdings
die Würde beider Gewalten; denn wie der Himmel die Erde überrage, so
scien die ewigen Güter, welche den Menschen mittels der geistlichen Gewalt
zukommen, höher, als die zeitlichen, zu deren Erhaltung oder Mehrung die
bürgerliche Gewalt unmittelbar berufen ist; jede (dieser Gewalten) sei aber in