Full text: Europäischer Geschichtskalender. Elfter Jahrgang. 1870. (11)

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Ende 
Rom, 
Die französischen Blätter, erklären dieses Vorgehen des Papstes für ganz 
unerhört und sprechen sich höchst erbittert darüber aus. .„ 
Mai. Rede des Papstes bei der Preisvertheilung am Schlusse der 
Kunstausstellung: 
„ . . Alles das hat dazu gedient, wiederholt zu beweisen, wie falsch die Be- 
hauptung, daß die päpstliche Negierung dem Fortschritt abhold sei und sich 
selber zum Stillstand verdamme. Wir lieben, im Gegentheil, den gesellschaft- 
lichen Fortschritt, insoweit er wahr und nützlich ist, und wir haben das 
in dem engen Kreise, in den man unsern Staat gebannt, durch eine Menge 
Thatsachen dargethan. Die Schienenwege verkürzten die Entfernungen, die 
Telegraphen erleichterten die Uebermittelung der Gedanken und Nichts von 
dem, was Gott dem Genius des Menschen eingegeben, ist vernachlässigt wor- 
den. Die Hochschulen bereicherten sich mit Sternwarten und wissenschaftlichen 
Cabineten, neue Lehrstühle wurden begründet; vervielfältigt wurden die Mittel 
zur Verstandesbildung. Es ist zu ihren Aposteln gesagt worden: Gehet hin 
und lehrct. Dagegen bewahrt die Kirche allerdings die ihr anvertraute christ- 
liche Lehre in ihrer ursprünglichen Gestalt, die Lehre, welche nicht geändert 
werden kann, weil sie gestern und heute und in alle Ewigkeit die nämliche ist. 
Und doch gibt es auf Grund eines Widerspruches, der zu den Gewohnheiten 
ihrer Feinde gehört, unter diesen welche, die sie beschuldigen, in ihren Dogmen 
nicht stillzustehen, als ob sie neue und unerhörte in Vorschlag gebracht hätte. 
Nun aber ist das nicht der Fall, ist das nie der Fall gewesen, wird das nie 
der Fall sein. Die Kirche bringt aus ihrem unermeßlichen Schatze Altes und 
Neues, je nachdem es ihr schicklich erscheint; sie nimmt aus dem Schatzkäst- 
lein der göttlichen Offenbarung das, was nach ihrem Ermessen bestätigt oder 
beantragt werden muß. Allein das ist hier nicht der Ort, noch der Augenblick 
über den Gegenstand Weiteres zu sagen."“ 
2. Juni. Concil: Fortsetzung der Debatte über den römischen Papst: 
drei infallibilistische Redner erklären, aufs Wort verzichten zu wollen. 
Die Curie und die ihr ergebene Majorität drängen sichtlich dem 
Ende zu; bereits circulirt unter ihnen ein Postulat zur Unterzeich- 
nung, das den Schluß der Generaldebatte verlangt. 
„ Concil: Fortsetzung der Debatte über den römischen Papst: 
der anti-infallibilistische französische Bischof Maret, Decan der Sor- 
bonne, wird vom Vorsitzenden Cardinal Bilio unterbrochen und hier- 
auf von der Mehrheit die Generaldebatte, obgleich noch über 
40 Redner eingeschrieben sind, geschlossen. 
Die Majorität, der sich auch einige Bischöfe der Minorität angeschlossen, 
hatte Angesichts der steigenden Hitze und der mit schnellen Schritten heran- 
nahenden ungesunden Jahreszeit alle Geduld verloren. Schon Domenec, der 
Bischof von Pittsburg (Amerika) wird vielfach unterbrochen. Dann folgt 
Maret, der im Verlauf seiner Rede äußert: man würde es einen vitiösen 
Cirkel nennen, wenn der Geringere dem Größeren Gewalt verliehe, indem 
das Concil, welches doch geringern Ansehens sein solle, dem Papste, dem 
an sich schon Höheren, die Autorität der Unfehlbarkeit erst verleihen solle, 
.. . da fällt ihm Bilio sehr aufgebracht ins Wort und ruft: „Tu non 
nosti prima rudimenta fidei; Concilium nihil dat Papae nec dare 
potest, sed solummodo recognoscit, suffragia dat, ct S. Pater, quod in 
Spiritu Sancto ipsi placct, decidit."“ Nun wird das schon vorbereitete Po- 
stulat für Schluß sogleich produzirt und der Schluß votirt. Wenig über
	        
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