36
Preußen und der norddeutsche Bund.
5. Jan. (Preußen). Das neugewählte Bürgervorsteher-Collegium der
11.
14.
15.
18.
Stadt Hannover constituirt sich: dasselbe besteht nunmehr aus 20
mehr oder weniger welfisch und bloß 4 preußisch gesinnten Mit—
gliedern.
„ (Sachsen). Die II. Kammer nimmt den Gesetzentwurf bez.
der Verhältnisse der Dissidenten gegen 6 Stimmen an. Die völlige
Freigebung der Bildung neuer Religionsgesellschaften wird mit 33
gegen 31, die obligatorische Civilehe gegen 19 Stimmen abgelehnt.
„ (Preußen). Abg. Haus: Fortsetzung der Berathung der Kreis-
ordnungs-Vorlage.
Die Hoffnung, welche die Regierung bis jetzt auf die glückliche Durch-
berathung der Kreisordnung noch in dieser Session hegte, wird erschüttert. Das
Haus war bis zur Berathung des § 27 gelangt. Bis dahin war man
zwar langsam vorgedrungen, aber die Beschlüsse waren doch immer so ziemlich
im Sinne der Regierung erfolgt. Man glaubte sogar annehmen zu können,
daß die Berathung der Vorlage Mitte Februars zu Ende sein werde, da
von allen Seiten ein großes Interesse für das Zustandekommen der Reform an
den Tag gelegt wurde. Nun aber nimmt das Haus die Fassung des § 27,
welcher die polizeilichen Befugnisse des Gemeindevorstehers feststellt, nicht an,
weiß sich aber auch über keine andere Fassung desselben zu verständigen; in den
vorgebrachten Meinungen und Ansichten treten solche D Divergenzen zu Tage, daß
an eine Erledigung des Gegenstandes durch den gegenwärtigen Landtag bereits
kaum mehr zu denken ist.
„ (Nordd. Bund) schließt mit Baden einen sog. Jurisdictions-
Vertrag bez. wechselseitiger Gewährung der Rechtshülfe ab.
„ (Preußen). Der große Waldenburger Strike geht seinem
Ende zu;z mehr als die Hälfte der feiernden Grubenarbeiter kehrt
zur Arbeit zurück.
„ (Sachsen). Die II. Kammer genehmigt einstimmig einen An-
trag auf Aufhebung der bisherigen (sehr illiberalen) Verfassungs-
bestimmung bez. der Redefreiheit der Abgeordneten und die Ersetzung
derselben durch diejenige der nordd. Bundesverfassung.
„ Scocialistische Bestrebungen: Neuer Hader zwischen den Richtungen
Schweizer und Mende und Bebel und den Süddeutschen Arbeiter-
führern.
Der Schweitzer'sche allgemeine deutsche Arbeiterverein beschließt in der
Generalversammlung seiner Delegirten zu Berlin nach zehntägigen Verhand-
lungen die Verschmelzung aller einzelnen jetzt bestehenden Gewerkschaften in
einen einzigen Gewerkverein und stellt die Satzungen desselben fest: an der
Spitze steht demnach ein Präsident (Schweitzer) mit einem aus 12 Mitgliedern
bestehenden Centralausschuß und Commissionen von je 7 Mitgliedern in
12 Hauptstädten Deutschlands als ausführende Unterbehörden des Präsidiums.
Dagegen proclamirt sich Fritz Mende als gewählter Präsident seines echten
allgemeinen deutschen Arbeitervereins und erklärt die auf Schweitzer gefallenen
Stimmen für ungiltig. Bebel als Vertreter seiner social-demokratischen Ar-
beiterpartei sucht sich gegen Schweitzer und Mende mit dem süddeutschen Ar-
beitercongreß in Augsburg zu verständigen und zu verschmelzen. Der Versuch
scheitert, der letztere beschließt vielmehr: „In Erwägung, daß die beiden allge-
meinen deutschen Arbeitervereine (Schweitzers und Mende's) zur Zeit durch