438 Rom.
2.
Vorlage an das Concil de romano pontifice.
Pius, Bischof, Knecht der Knechte Gottes, unter Billigung des heil. Concils,
zum ewigen Andenken.
Der ewige Hirte und der Bischof unserer Seelen, auf daß er das heilbrin-
gende Werk seiner Erlösung dauernd mache bis zum Ende der Welt, hat die heilige
Kirche zu bauen beschlossen, in welcher, gleichwie in einem Hause Gottes (vgl. I. Tim.
3, 15) lebend, alle Gläubigen durch das Band eines Glaubens und einer Liebe ver-
eint sein sollten. Denn deswegen hat er, vor seiner Verklärung, den Vater gebeten,
daß die, so an ihn glauben, alle Eins seien, wie der Sohn selbst und der Vater Eins
sind (vgl. Joh. 17, 1. 21. 19). Der allerweiseste Baumeister (vgl. I. Kor. 3, 10)
hat daher, um diese Einheit des Glaubens und der Gemeinschaft in seiner Kirche
dauernd zu bewahren, in dem heiligen Apostel Petrus das beständige Princip und
sichtbare Fundament beider Einheiten eingesetzt, auf dessen Stärke der ewige Tempel
aufgebaut werden und die zum Himmel ragende Erhabenheit der Kirche in dieses
Glaubens Festigkeit sich erheben sollte (S. Leo M. serm. IV (al. IIII cap. II in
diem Natalis sui). Weil aber gegen dieses von Gott gesetzte Fundament die Pforten
der Hölle mit täglich wachsendem Hasse von allen Seiten sich erheben, so erachten Wir
für der uns anvertrauten katholischen Heerde Schutz, Unverletztheit und Wachsthum,
unter Billigung des Concils für nöthig, die Lehre von der Einsetzung, Fortdauer
und Natur des heil. apostolischen Primats, von welchem der ganzen Kirche Kraft und
Heil abhängt, gemäß dem alten und constanten Glauben der Kirche, sowie dieselbe")
von allen Gläubigen zu glauben und zu halten ist, vorzulegen, um die entgegen-
gesetzten und darum der Heerde des Herrn so sehr verderblichen Irrthümer durch den
gebührenden Verdammungsbruch zu ächten.
Kapitel I.
Von des apostolischen Primates Einsetzung im heiligen Petrus.
Daher lehren und erklären Wir: Von dem Herrn Christus ist laut den Zeug-
nissen des Evangeliums der Primat der Gewalt über die gesammte Kirche Gottes
unmittelbar und direct dem heil. Apostel Petrus verheißen und übertragen worden.
Denn einzig und allein zu Petrus hat Christus, der Sohn des lebendigen Gottes,
gesagt: „Und ich sage dir, daß du bist Petrus, und auf diesen Fels (petra) werde
ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden nichts gegen sie vermögen;
und ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben, und was du bindest auf Er-
den, wird auch im Himmel gebunden sein, und was du lösest auf Erden, wird auch
im Himmel gelöst sein (Matth. 16, 18, 19).“ Und einzig dem Simon Petrus hat
Jesus nach seiner Auferstehung die Gewalt des höchsten Hirten und Lenkers über
seinen ganzen Schafstall verliehen, indem er sprach: „Hüte meine Lämmer, hüte meine
Schafe" (Joh. 21, 15— 17). Dieser so klaren Lehre der heil. Schrift, wie sie von
der katholischen Kirche stets verstanden worden ist, stellen sich offen die verdammungs-
würdigen Meinungen derer entgegen, welche, die von dem Herrn Christus in seiner
Kirche eingesetzte Form des Regiments verdrehend, es leugnen, daß Petrus allein vor
allen Aposteln, sei es gesondert von jedem einzelnen oder von allen zusammen, mit
dem wahren und eigentlichen Primat der Gewalt von Christus ausgestattet worden
sei, oder welche behaupten, eben dieser Primat sei nicht unmittelbar und direct dem
heil. Petrus selbst, sondern sei der Kirche und durch diese jenem als ihrem Diener
übertragen worden.
*) Die Wortstellung des Originals ist grammatisch schlecht und zweideutig. Das
grricnm et tenendam kann sich ebenso gut auf fiem als auf doctrinam
cziehen.