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Schweit.
Gesetzentwurf betr. Abänderung der Wahlordnung mit 49 gegen
33 Stimmen. Die radicale Partei bekämpft den Antrag aufs Hef-
tigste, indem sie die Maßregel ein schreiendes Unrecht gegen sie
und ihre Verdammung zu permanenter Minderheit nennt.
Der Entwurf theilt die Stadt Genf, wo die radicale Partei seit Jahren
regelmäßig unterlegen ist, in zwei Collegien und verschafft derselben dadurch
einige Chancen. Er theilt ebenfalls in zwei den Wahlkreis des linken Ufers,
wo der Nadicalismus herrscht, und räumt dadurch dem Ultramontanismus
die Möglichkeit ein, einige Wahlen durchzusetzen. Das Collegium des rechten
Ufers wird fast unverändert erhalten; nur werden darin zwei Abstimmungs-
orte festgesetzt, damit die Wähler nicht nöthig haben, einen so weiten Weg zu
machen. Die Zahl der Deputirten wird von 104 auf 86 vermindert (auf je
1000 Einwohner trifft ein Abgeordneter), und jeder der fünf Wahlkreise hat
eine gleichmäßige Anzahl zu wählen.
4. Juni. Zwischen den Arbeitgebern der Baugewerke und den Arbeitern
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bricht neuerdings ein sehr erbitterter Streit aus. Von einer For—
derung zunächst bloß der Gypser nehmen die sämmtlichen 33 Mei—
ster der Vaugewerke Anlaß, nicht nur die Forderung der Gypser
rund abzuschlagen, sondern durch Maueranschlag zu erklären,
daß, wenn die Gypser nicht bis am 9. Juni an die Arbeit zurückgekehrt
sind, sämmtliche Ateliers der Baugewerke geschlossen, also alle Arbeiter vom
Baufache, über 5000 Samstags den 11. Juni entlassen werden. Die Pro-
clamation citirt auch die §§ 46 und 57 der eidgenössischen Verfassung, ver-
lenzt also indirect Auflösung der Internationalen und Ausweisung der
remden.
Die Arbeiter protestiren in einer großen Volksversammlung gegen
diese „ungerechte" Erklärung der Arbeitgeber.
„ (Luzern). Der Gr. Nath genehmigt mit 50 gegen 41 Stim-
men den Antrag der Regierung auf Rücktritt vom Diöcesanvertrag
bez. des Priesterseminars in Solothurn.
„ (Freiburg). Der Staatsrath sucht durch eine Proclamation
die steigende Gährung im Bezirke Murten zu beschwichtigen.
„ (Freiburg). Die Murtener Großräthe legen ihr Mandat nieder.
„ (Genf). Die Gypser unterwerfen sich der Forderung der Mei-
ster nicht. Die sämmtlichen Arbeitgeber der Baugewerke machen
Strike. Gegen 5000 Arbeiter verlieren dadurch vorerst ihre bis-
herigen Existenzmittel.
„ (Freiburg). Eine große Volksversammlung in Murten spricht
sich für Trennung vom Kanton Freiburg aus.
„ Delegirte sämmtlicher kirchlicher Reformvereine der Schweiz suchen
sich in einer Versammlung in Olten über eine engere Organisation
zu verständigen.
„ (Tessin). Der Verfassungsentwurf der vom Gr. Rathe nieder-
gesetzten Commission wird vom Staatsrath mit wenigen Modifica-
tionen acceptirt.
„ Unterzeichnung einer Convention zwischen der Schweiz und
dem norddeutschen Bunde, durch welche der letztere dem Vertrage