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Preußen und der norddeutsche Pund.
bungen herabgeminderk, und auch sonst werde gespart, wo dieß nur irgend
ohne Beschädigung der Wehrkraft des Landes möglich sei. — Staats-
minister v. Friesen: Schon in der II. Kammer habe er die Erklärung
gegeben, daß die Regierung die Anträge nur als an sie gerichtete Wünsche
auffasse. Auch wolle die Regierung durch ihre Anwesenheit in der heutigen
Sitzung der Competenzfrage nicht präjudiciren. Sollten jedoch die Anträge
Annahme finden, so würde sie sich der Erwägung nicht entschlagen können,
daß nur verfassungsmäßige Anträge von den Kammern gestellt werden dürfen.
Man wolle jede Stagnation auf die Militärlast zurückführen. Den Klagen
über Geschäftsdruck ständen die Thatsachen vermehrten Post= und Telegraphen-=
verkehrs entgegen. Man klage ferner über Mangel an Arbeitskraft, aber
daran könne doch das Militär nicht schuld sein, denn schon seit 20 Jahren
höre man diese Klage, und jetzt sei sogar ein Ueberfluß an Arbeitskräften
bemerkbar, z. B. bei Eisenbahnbauten. Auch von einer Steuerüberbürdung
könne nicht in demselben Augenblicke gesprochen werden, wo man reichliche
Bewilligungen zu gemeinnützigen Zwecken gemacht, wo man die Gehalte der
Beamten erhöht und wo man sich anschicke, die Steuerzuschläge in Wegfall zu
bringen. Die Anträge sehe er weder als eine weitgreifende Frage, noch als
eine beabsichtigte Demonstration an. Allerdings sei es schon an sich eine De-
monstration, Erklärungen abzugeben, von denen man wisse, daß sie keinen
Erfolg haben. Thue man es trotzdem, so werde sehr leicht ein Hintergedanke
vorausgesetzt, der Mißdeutungen herbeiführe. Eine Regierung wenigstens
müsse sich vor solchen Erklärungen hüten und bedenken, daß sie leicht damit
Schaden anrichten könne, denn was die Könige fündigten, hätten die Völker zu
büßen. Er rathe daher dringend von Annahme der Anträge ab. Was die
Aeußerung des Hrn. v. Erdmannsdorf betreffe, daß die Regierung von einem
gewissen Punkt an sein Vertrauen verloren, so wisse er nicht, welcher „Punkt-
damit gemeint sei. — Präsident v. Friesen constatirt in längerer Aus-
einandersetzung, daß die Kammer stets competent sei, der Regierung die
Münsche des Landes auszusprechen. — v. Nostiz-Paulsdorf: Früher
habe der Militäretat etwas über 1 Million Thaler betragen, und damals sei
fortwährend die Frage discutirt worden, ob sich der Aufwand nicht verringern
lasse; heute zahle man über 6 Mill. Thaler, und da solle man sich scheuen,
den Wunsch nach Abminderung auszusprechen? Wenn der Hr. Minister von Ar-
beiterüberfluß gesprochen, so könne dieß bei Eisenbahnbauten möglich sein; die
Landwirthschaft habe aber Arbeitermangel, und daran sei die hohe Präsenz-
ziffer schuld. Und wer habe denn den Anfang mit Vermehrung der stehenden
Armee gemacht? Da Preußen angefangen, möge es auch mit der Abrüstung
beginnen. — v. Erdmannsdorf antwortet dem Finanzminister: Der Punkt,
welchen er gemeint, sei die Errichtung des Bundesoberhandelsgerichts in Leipzig.
— Minister v. Friesen: Die Regierung müsse jedes lieblose Urtheil zurück-
weisen, welches ohne genaue Kenntniß der Sachlage ihr entgegengeschleudert
werde. — Für den Majoritätsantrag (Ablehnung) stimmen auch der Kronprinz
und Prinz Georg.
23. Jan. (Preußen). Der österr. Erzherzog Karl Ludwig erwidert
24.
den Besuch des Kronprinzen von Preußen in Wien durch einen
Besuch in Berlin.
„ (Preußen). Das Abg. Haus beschließt die Aufhebung der Mahl-
und Schlachtsteuer und die Ersetzung derselben durch die Klassensteuer
in 31 Städten und zugleich, die Negierung um eine Gesetzesvorlage
für gänzliche Aufhebung der Mahl= und Schlachtsteuer zu ersuchen.
Der Finanzminister erklärt sich sehr entschieden für die Maßregel
und die künftige Erweiterung derselben. Bei der Abstimmung stimmt
nur eine Minderheit der Conservativen dagegen.