Full text: Europäischer Geschichtskalender. Elfter Jahrgang. 1870. (11)

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Preußen und der norddeutsche Pund. 
bungen herabgeminderk, und auch sonst werde gespart, wo dieß nur irgend 
ohne Beschädigung der Wehrkraft des Landes möglich sei. — Staats- 
minister v. Friesen: Schon in der II. Kammer habe er die Erklärung 
gegeben, daß die Regierung die Anträge nur als an sie gerichtete Wünsche 
auffasse. Auch wolle die Regierung durch ihre Anwesenheit in der heutigen 
Sitzung der Competenzfrage nicht präjudiciren. Sollten jedoch die Anträge 
Annahme finden, so würde sie sich der Erwägung nicht entschlagen können, 
daß nur verfassungsmäßige Anträge von den Kammern gestellt werden dürfen. 
Man wolle jede Stagnation auf die Militärlast zurückführen. Den Klagen 
über Geschäftsdruck ständen die Thatsachen vermehrten Post= und Telegraphen-= 
verkehrs entgegen. Man klage ferner über Mangel an Arbeitskraft, aber 
daran könne doch das Militär nicht schuld sein, denn schon seit 20 Jahren 
höre man diese Klage, und jetzt sei sogar ein Ueberfluß an Arbeitskräften 
bemerkbar, z. B. bei Eisenbahnbauten. Auch von einer Steuerüberbürdung 
könne nicht in demselben Augenblicke gesprochen werden, wo man reichliche 
Bewilligungen zu gemeinnützigen Zwecken gemacht, wo man die Gehalte der 
Beamten erhöht und wo man sich anschicke, die Steuerzuschläge in Wegfall zu 
bringen. Die Anträge sehe er weder als eine weitgreifende Frage, noch als 
eine beabsichtigte Demonstration an. Allerdings sei es schon an sich eine De- 
monstration, Erklärungen abzugeben, von denen man wisse, daß sie keinen 
Erfolg haben. Thue man es trotzdem, so werde sehr leicht ein Hintergedanke 
vorausgesetzt, der Mißdeutungen herbeiführe. Eine Regierung wenigstens 
müsse sich vor solchen Erklärungen hüten und bedenken, daß sie leicht damit 
Schaden anrichten könne, denn was die Könige fündigten, hätten die Völker zu 
büßen. Er rathe daher dringend von Annahme der Anträge ab. Was die 
Aeußerung des Hrn. v. Erdmannsdorf betreffe, daß die Regierung von einem 
gewissen Punkt an sein Vertrauen verloren, so wisse er nicht, welcher „Punkt- 
damit gemeint sei. — Präsident v. Friesen constatirt in längerer Aus- 
einandersetzung, daß die Kammer stets competent sei, der Regierung die 
Münsche des Landes auszusprechen. — v. Nostiz-Paulsdorf: Früher 
habe der Militäretat etwas über 1 Million Thaler betragen, und damals sei 
fortwährend die Frage discutirt worden, ob sich der Aufwand nicht verringern 
lasse; heute zahle man über 6 Mill. Thaler, und da solle man sich scheuen, 
den Wunsch nach Abminderung auszusprechen? Wenn der Hr. Minister von Ar- 
beiterüberfluß gesprochen, so könne dieß bei Eisenbahnbauten möglich sein; die 
Landwirthschaft habe aber Arbeitermangel, und daran sei die hohe Präsenz- 
ziffer schuld. Und wer habe denn den Anfang mit Vermehrung der stehenden 
Armee gemacht? Da Preußen angefangen, möge es auch mit der Abrüstung 
beginnen. — v. Erdmannsdorf antwortet dem Finanzminister: Der Punkt, 
welchen er gemeint, sei die Errichtung des Bundesoberhandelsgerichts in Leipzig. 
— Minister v. Friesen: Die Regierung müsse jedes lieblose Urtheil zurück- 
weisen, welches ohne genaue Kenntniß der Sachlage ihr entgegengeschleudert 
werde. — Für den Majoritätsantrag (Ablehnung) stimmen auch der Kronprinz 
und Prinz Georg. 
23. Jan. (Preußen). Der österr. Erzherzog Karl Ludwig erwidert 
24. 
den Besuch des Kronprinzen von Preußen in Wien durch einen 
Besuch in Berlin. 
„ (Preußen). Das Abg. Haus beschließt die Aufhebung der Mahl- 
und Schlachtsteuer und die Ersetzung derselben durch die Klassensteuer 
in 31 Städten und zugleich, die Negierung um eine Gesetzesvorlage 
für gänzliche Aufhebung der Mahl= und Schlachtsteuer zu ersuchen. 
Der Finanzminister erklärt sich sehr entschieden für die Maßregel 
und die künftige Erweiterung derselben. Bei der Abstimmung stimmt 
nur eine Minderheit der Conservativen dagegen.
	        
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