Schweiz. 455
stimmig wird der Regierung nach dem Wunsche der Commission der Auftrag
ertheilt, für die demissionirenden Großrathsmitglieder des Seebezirks neuer-
dings Wahlen auszuschreiben und anzuordnen. Ebenfalls einstimmig endlich
wird beschlossen, im Namen der gesetzgebenden Behörde des Landes eine Pro-
clamation an die Bevölkerung des Seebezirks zu erlassen, um dieselbe an die
Bande zu erinnern, welche die Gegend von Murten an den Kanton Freiburg
binden, sie gegen verfassungswidrige Einflüsse zu warnen und sie einzuladen,
den Absichten der souveränen Landesbehörde bezüglich des Eisenbahnbaues für
den See= und den Broyebezirk mit Vertrauen entgegenzukommen.
28. Nov. (Tessin). Die Gemeinderäthe des tessinischen Landestheils jen-
seits des Monte Cenere stellen auf Grund bezüglicher Beschlüsse der
Gemeindeversammlungen bei den Bundesbehörden folgende Begehren:
1) Der Bundesrath möge die den eidgenössischen Commissären gegebene
Instruction, betr. Androhung sofortiger Besetzung der widerspenstigen Kreise,
zurücknehmen. 2) Er wolle über den Conflict zwischen dem Staatsrath und
einer angeblichen Mehrheit des Gr. RNathes Beschluß fassen und thatsächlich
wie rechtlich feststellen, ob in der Sitzung vom 8. Juli wirklich eine erste
Lesung des Verfassungsentwurfs zu Stande gekommen sei. 3) Er wolle ver-
fügen, daß jede künftige Wahl von Abgeordneten in den Gr. Rath nach Ver-
hältniß der Volkszahl erfolge und bei allgemeinen Volksabstimmungen die
Zahl der Stimmgeber und nicht diejenige der Kreise maßgebend sei. 4) Er
wolle die Trennung des Kantons in zwei Halbkantone unter Vorbehalt der
nähern Regelung der diesfälligen Verhältnisse anerkennen und der Bundes-
versammlung vorschlagen. 5) Falls der Bundesrath alle oder einzelne dieser
Begehren abweise, so wird dagegen jetzt schon der Recurs an die Bundesver-
sammlung ergriffen und die Eingabe als an diese gerichtet betrachtet.
5. Dec. Eröffnung der Bundesversammlung.
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17.
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„ (Tessin). Ein Decret des Staatsraths setzt die Integral-
erneuerung des Gr. Naths auf den 12. Januar 1871 an.
„ Bundesversammlung: Der Ständerath beschließt einstimmig bez.
der Tessinerfrage:
1) Die Einheit des Kantons Tessin soll unter allen Umständen gewahrt
bleiben, und es kann eine Trennung in zwei Halbkantone, als mit den Inter-
essen der Eigenossenschaft und des Kantons selbst unvereinbar, nicht zugegeben
werden. 2) Die Bundesversammlung appellirt an den Patriotismus und die
eidgenössische Gesinnung der entzweiten Bürger Tessin's und ladet den Bundes-
rath ein, zum Behuf einer dauernden Pacification dieses Kantons einen neuen
Vermittlungsversuch anzubahnen und über dessen Resultat ihr Bericht und
Antrag zu hinterbringen. Inzwischen bleibt die Entscheidung über die anhän-
gigen Recurse gegen die Beschlüsse des Gr. Rathes, sowie die Volksabstimmung
über den Verfassungsentwurf aufgeschoben.
„ Bundesversammlung: Der Nationalrath schließt sich in der Tessiner-
frage materiell den Beschlüssen des Ständerathes durchaus an:
Ausschluß der Möglichkeit einer Trennung des Kantons, Erneuerung des
Vermittlungs= und Versöhnungsversuches, und inzwischen Festhaltung des
status quo; einzig wünscht er durch eine Redactionsänderung der gesetzlichen
Autorität im Kanton Tessin die Möglichkeit offen zu lassen, von sich aus eine
Verschiebung der Volksabstimmung vom 8. Januar über die neue Verfassung
zu decretiren, während der ständeräthliche Beschluß diese Verschiebung direct
von Bundes wegen anordnet.
„ Bundesversammlung: Der Ständerath hält in der Tessinerfrage
an seinem Beschlusse fest: der Nationalrath gibt nach. Schluß der
Bundesversammlung.