Preußen und der norddeutsche Pund. 39
24. Jan. (Preußen). Definitives Ende des Waldenburger Strikes.
27.
Auch der Rest der noch feiernden Grubenarbeiter kehrt nach vorgängiger
Erfüllung der von den Arbeitgebern gestellten Bedingung des Austritts aus
dem Gewerkverein zur Arbeit zurück. Circa 600 Arbeiter, worunter sämmtliche
Mitglieder des Generalraths und des Ausschusses des Gewerkvereins bleiben
von der „Amnestie“ ausgeschlossen. Im Ganzen scheiden circa 1000 Arbeiter
aus und suchen anderweitig Beschäftigung. Der Generalrath veröffentlicht
einen Protest, woraus hervorgeht, daß nach seiner Ansicht der Strike, sobald
die unterlegenen Arbeiter Athem geschöpft, neuerdings wieder aufgenommen
und durchgeführt werden soll.
„ Wie in München (s. Rom 19. Jan.) so regt sich auch in
anderen Gegenden Deutschlands, namentlich am Nhein und in
Schlesien, unter den Katholisch-Gläubigen aber zugleich auch wissen-
schaftlich Gebildeten eine muthige Opposition gegen die von den
Jesuiten und ihrer Partei auf dem sog. vaticanischen Concil betrie-
bene und eingeleitete Erklärung einer persönlichen Unfehlbarkeit des
Papstes. Von solchen werden zunächst an Döllinger zahlreiche Zu-
stimmungsadressen gerichtet. Andere treten selbständig auf.
So erläßt der (als früherer Landtags= und Reichstagsabgeordneter be-
kannte) strengkatholische Professor Dr. Michelis (Geistlicher in Braunsberg),
der schon früher in einer Broschüre gegen das Unfehlbarkeitsdogma aufgetre-
ten, folgende Erklärung gegen die römische Infallibilitätsadresse: „1) Dieselbe
ist nicht ein dogmatisches, sondern ein diplomatisches Aktenstück. Nicht allein
ist darin der directe Ausdruck Infallibilität vermieden, sondern es sind auch
die zur dogmatischen Definition unumgänglich nöthigen Bestimmungen um-
gangen, welche durch die Frage klar gelegt werden: ob die Bischöfe ein inte-
grirender Bestandtheil des Lehramts sind) Sind sie es, wie kann dann die
Unfehlbarkeit dem Papst allein unabhängig von den Bischöfen zukommen?
Sind sie es nicht, was kann dann die Erklärung der Bischöfe für eine wesent-
liche Bedeutung haben? Ist wirklich der Papst für sich unfehlbar, so kann
auch nur er allein sich für unfehlbar erklären, und Pius IX. muß im
10. Jahrhundert sich nicht scheuen, auszusprechen, was Innocenz III. im
13. Jahrhundert als Ketzerei betrachtete. Aus der Scheu vor dieser logischen
Erörterung ist die diplomatische Form der Adresse hervorgegangen. 2) Diesen
diplomatischen Charakter trägt das Aktenstück in der durchgehenden innern
Unwahrheit an sich, indem es dem Begriff des Primats und dessen, was nach
katholischer Anschauung in demselben liegt, den nicht definirten Begriff der
Infallibilität unterschiebt. 3) Die Adresse ist leidenschaftlich und verleugnet in
einem entsetzlichen Grade die Liebe, indem sie gerade durch den aus dem katho-
lischen Bewußtsein und dem in der Kirche bestehenden und überlieferten Glau-
ben gegen die Definition der Infallibilität erhobenen Widerspruch, ohne auf
die Prüfung der Sache einzugehen, die Nothwendigkeit dieser quasi-Definition
motivirt und fast mit nackten Worten den Abfall von der Kirche provolirt.
Dieser Leidenschaftlichkeit entspricht die Rohheit des Ausdrucks, wenn z. B. der Aus-
druck blaterarc von einer Einsprache gebraucht wird, welche selbst die höchst-
stehenden der versammelten Väter mitbetrifft. 4) Durch alles Dies ist die
Adresse als ein offenbares Parteimanöver der Jefsuiten, welche die beabsichtigte
directe Definition nicht haben durchsetzen können, signalisirt; ihre Annahme
würde ein trauriger Sieg des jefuitischen Parteigeistes über den wahren Geist
der Kirche und ein Unglück für die Kirche und die Menschheit sein.“
„ (Nordd. Bund). Eröffnung des Bundesraths behufs Be-
rathung der Vorlagen für die bevorstehende Session des Reichstags.